Amanshausers Album

Eine Lehrerin im M&M-Kostüm

Ziemlich viel Müll: Kantine der vorstädtischen Elementarschule in Bowling Green, Ohio.
Ziemlich viel Müll: Kantine der vorstädtischen Elementarschule in Bowling Green, Ohio.Martin Amanshauser
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US-Schul-Vergleich: Dermaßen unterschiedlich. Überraschend cool dort. Nur halt werblich.

Als ich ein Semester an der Universität von Bowling Green, Ohio, unterrichtete, lernte ich über meine Kinder eine öffentliche Volksschule kennen. Unsere Erfahrungen fielen spürbar anders aus als jene, die Ausländer in österreichischen Schulen machen. Wir waren vom ersten Tag an willkommen und im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Ösis, die zunächst kaum ein Wort verstanden, „are doing very good“, schrieben uns Lehrerinnen in schrift­lichen Botschaften. Die Klassen der Buben (8, 6) hatte jeweils zwei Lehrerinnen. Einzelne Kinder erhielten eine ­individuell engmaschige Betreuung. Der allgemeine Wertschätzungslevel lag viel höher als gewohnt. Sogar die Technik funktionierte!

Die Ohioer Kinder beteiligten sich aktiver am Unterricht als in Europa üblich. Zwar schienen sie formbarer, doch auch sozialer denkend zu sein. (Schlug jemand trotzdem über die Stränge, landete er rasch bei der niemals strafenden, sehr bestimmten Direktorin.) Stolz beschrieben mir die neuen Freunde den Fortschritt meiner Kinder: „He is doing veeery good!“

Kurios wurde es abseits des Pädagogischen. Einmal war da die Qualität der Mahlzeiten. Unsere Kinder kriegten fast nichts runter. Meist war das Zeug zu fett, zu süß, zu salzig. Interessant auch die fünf riesigen Mülleimer in der Mitte des Speisesaals, in die „Teller“ und „Besteck“ nach dem „Essen“ gestopft wurden.

Auf dem Schulfest präsentierte man uns die Klassen. Im Hintergrund stand eine andere Präsentation. Die Veranstaltung wurde von den Zucker- und Fett­giganten McDonald’s – wir erhielten Apple-Pie-Gutscheine – und M&M gesponsert. Die Kinder durften, ja mussten Wörter mit M&M-Candys nachlegen und füllten anschließend zwei Candy-Questions aus: „What is your favourite M&M color?“ Meine beiden schrieben: „Blue.“ Nächste Frage: „What is your favourite candy?“ Der Ältere schrieb ­folgerichtig, obwohl es nicht im Geringsten zutraf: „M&M.“ Kinder wissen in solchen Momenten, was von ihnen erwartet wird. An diesem Tag stand beim Verlassen des Schulgebäudes eine Lehrerin am Ausgang, verkleidet als M&M-Bonbon, und winkte uns neckisch zu.

("Die Presse Schaufenster" vom 25.02.2022)

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