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Dieser Batman will keinen Spaß machen

film the batman 2022
film the batman 2022Warner Bros.
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Selten wagt es ein so teurer Film, so bierernst zu sein: Der neue „Batman“ mit Robert Pattinson ist ein finsterer, dreistündiger Krimi in Neo-Noir-Tradition - und dabei sehr sehenswert.

Niemand käme auf die Idee, diesen Batman einen Superhelden zu nennen. Nichts Heroisches haftet ihm an, wenn er durch die vom Dauerregen glänzende Nachtschwärze des Molochs Gotham City heischt, auf Straßenschläger eindrischt und ihnen ein „Ich bin die Vergeltung!“ ins Gesicht brüllt. Nichts Kathartisches stellt sich ein, wenn er mit dem Motorrad durch Stadtschluchten röhrt, Treppen hinunter und einen dunklen Tunnel entlang, bis er in seiner Höhle zum Stehen kommt. Und während die Fledermausschwärme aufgeregt flattern, blickt man auf den demaskierten Milliardär Bruce Wayne, die leeren Augen tiefschwarz umrandet, die Mundwinkel hängend über dem trapezförmigen Kinn. Und dann denkt man, nein: dann weiß man, vor der Vergeltung steht immer die Verzweiflung.

Selten hat ein dermaßen teurer, popkulturell derart zentraler Film es gewagt, so sehr keinen Spaß machen zu wollen wie „The Batman“. Selbst die überschätzte Trilogie von Christopher Nolan, so unterspült sie von der Selbstbesoffenheit ihres Machers auch war, belieferte das Publikum mit mehr Gaudium. Matt Reeves, Ko-Autor und Regisseur dieser radikalen Neuinterpretation, macht schnell klar, welchen Referenzrahmen sein Film hat.

Die Anfänge des Fledermausmanns

Zu Beginn erschlägt ein Maskierter den Bürgermeister von Gotham City. Mehrmals trifft der Hammer auf dessen Schädel. Bei der Leiche findet man eine Nachricht an den Batman. Schon sind wir mittendrin in diesem finsteren Krimi, der bisweilen wirkt wie eine Verbeugung vor David Finchers legendärem Thriller „Sieben“ und der den „dunklen Rächer“ zu seinen Anfängen führt, zu seiner Schöpfung durch Bob Kane und Bill Fingers für die Mitte der Dreißigerjahre enorm populären „Detective Comics“.

So gesehen durchaus stimmig, dass Robert Pattinson den mit Abstand jüngsten Kino-Batman gibt, denn der steht hier noch ganz am Anfang seiner Geschichte. Ihm zur Seite agiert ein ebenfalls unverbrauchter Alfred, den Andy Serkis weit weg führt vom tattergreisigen Butler, hin zu einem Lebensfreund und Vaterersatz, der mit Bruce versucht, die Rätsel des Mörders zu lösen.

Dass die so knackig gar nicht sind, ist eine Schwachstelle des Drehbuchs. Dieses führt die Ermittler in einen Nachtclub voller Gauner und junger Frauen, in dem sich die Stadtelite verschanzt – vor dem Volk und dem Serienmörder, der es auf sie abgesehen hat. Gastgeber ist Oswald „Oz“ Cobblepot, ein untersetzter Halbweltler mit pockennarbigem Gesicht und Goldzähnen im Mund (Colin Farrell, komplett unkenntlich in Maske und Kostüm). Als Kellnerin schiebt sich Selina Kyle (toll: Zoë Kravitz) durch die Menge, sucht ihre verschwundene Freundin, findet allerdings ihren Vater und – als letale Catwoman – im rabiaten Batman einen kongenialen Partner und möglichen Liebhaber.

Atemberaubende Verfolgungsjagd mit dem Batmobil

All diese Figuren treffen aufeinander, reiben sich aneinander, sind Anhaltspunkte, um dem psychopathischen Riddler (großartig: Paul Dano) das Handwerk zu legen. Matt Reeves Entwurf für „The Batman“ ist kein simpler. So eng die nur von kaltem Neonlicht beschienenen Gassen sind, so labyrinthisch die Wohnungen und Lokale, so vielgliedrig ist auch die Erzählung selbst, ausgebreitet über drei Stunden, angelehnt an ambitionierte Neo-Noirs wie Polanskis „Chinatown“ oder Curtis Hansons „LA Confidential“. Weniger zählt hier der einzelne Handlungsstrang als die Summe von allen, montiert zum atmosphärisch apokalyptischen Sittenbild und radikal gegenwärtigen Zivilisationsbefund.

Zusammengehalten wird das vom Fledermausmann, der dann auch in beeindruckend kinetischen Action-Choreografien aufgeht. Hervorzuheben ist eine auf Atemberaubung hin entwickelte Verfolgungsjagd mit dem Batmobil, dessen blaue Zündflamme am Heck die Nachtschwärze zerreißt, bis die Lastwagen fliegen. All das wäre nur halb so gut ohne die Kameraarbeit des Australiers Greig Fraser, der diese Welt so wuchtig und grimmig und grausig auf die Leinwand malt, dass man sich darin eingraben und danach duschen möchte. Oder ohne die angemessen abgründige Musik von Komponist Michael Giacchino, der diesem Wust von einem Film durch ungnädige Rhythmik und sich wiederholende Tonfolgen Form gibt, ihm Sinn und Sinnlichkeit verleiht.

„The Batman“ ist ein sehenswerter Brocken, bierernst bis zum bitteren Ende in einer Gefängniszelle, in der endlich ein Lachen erklingt. Aber es ist gehässig und böse und bereitet schon den nächsten Teil dieses wahrscheinlichen Franchise vor. Erst dann, nur dann, fühlt man sich wie in einem Superheldenfilm.

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