"Wäre Kadyrow ein Verbrecher, wäre er nicht Präsident"

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Im Gespräch mit Kadyrow-Anwalt. Angeblich sieht der tschetschenische Präsident den Prozess in Wien gelassen. Nachfragen der "Presse" empfindet sein Sprecher Alvi Karimow aber trotzdem als Provokation.

Moskau. Andrej Krasnenkow ist ein vielbeschäftigter Mann. Kein Wunder. Als Anwalt von Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow hat er schließlich eine ziemlich schillernde Figur als Auftraggeber. Und vor allem eine, die in der letzten Zeit immer wieder in Zusammenhang mit spektakulären Morden genannt oder auch sogar als Auftraggeber beschuldigt wurde.

Manchmal doch etwas voreilig, wie der heute, Dienstag, beginnende Prozess rund um die vorjährige Ermordung des Tschetschenenflüchtlings Umar Israilow in Wien zeigt. Hatten das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Kadyrow als Drahtzieher ausgemacht und die Ermittler in ihrem Abschlussbericht gar von einem „definitiven Tötungsauftrag“ gesprochen, so ermittelt die Staatsanwaltschaft zwar auch gegen Kadyrow, hat aber trotz allem (s. Artikel oben) angeblich zu wenig belastendes Material für einen internationalen Haftbefehl.

Häme vom Anwalt

„Vielleicht haben die Ermittler nun doch tiefer geschürft und erkannt, dass es keine Beweise gibt“, ätzt Krasnenkow im Gespräch mit der „Presse“ Richtung österreichischer Behörden. Aber was, wenn der russische Geheimdienst über diplomatische Kanäle beim österreichischen Innen- und Justizministerium intervenierte, um ein peinliches Verfahren gegen Kadyrow abzuwenden, wie der Grün-Abgeordnete Peter Pilz vermutet? „Gäbe es Beweise gegen Kadyrow, wären sie längst bekannt“, antwortet Krasnenkow: „Und wäre Kadyrow ein Verbrecher, wäre er längst nicht mehr Präsident.“

Als solcher von Kremls Gnaden scheint der 34-jährige Hobbyboxer jedwede Anschuldigung an sich abprallen zu lassen. So hat er seinen Anwalt Krasnenkow laut dessen Aussage erst gar nicht darum gebeten, den Prozess in Wien zu verfolgen. Bei ihrem letzten Treffen am 4. November in Tschetschenien hätten sie vielmehr einen anderen Strafrechtsprozess besprochen, sagt dieser, und zwar den, den Kadyrow selbst in Moskau gegen den Leiter der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, Oleg Orlow, angestrengt hat.

Orlow hatte nämlich behauptet, Kadyrow sei direkt oder zumindest aufgrund seiner Politik daran schuld, dass im Vorjahr eine Menschenrechtlerin in Tschetschenien ermordet worden war. Im Zivilprozess wurde Orlow bereits verurteilt. In einer anderen Mordanschuldigung übrigens haben sich die Hinterbliebenen im August mit Kadyrow ausgesöhnt.

Kein Mitglied der Garde

Quasi beiläufig freilich habe sich Kadyrow am 4. November aber doch auch kurz zum Prozess in Wien geäußert, erzählt Krasnenkow. Der ermordete Israilow, zuvor Rebellenkämpfer, sei demnach gar nicht vollwertiges Mitglied in Kadyrows Leibgarde gewesen, wie dies behauptet wurde.

Weil aber damals strafrechtlich gegen Israilow ermittelt worden sei, habe sich Kadyrow für ihn eingesetzt. Israilow habe zwar versprochen zu kooperieren, sei dann aber doch – angeblich aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung – geflohen. Im Interview mit der „Presse am Sonntag“ hat Kadyrow im Vorjahr übrigens erklärt, dass er mit Israilow über eine Rückkehr nach Tschetschenien verhandelt hatte.

Allerdings: So gelassen, wie Krasnenkow die tschetschenische Führung gerne darstellt, ist diese aber offenbar auch wieder nicht. Allein die simple Nachfrage, ob man denn den Prozess in Wien verfolge, wertet Kadyrows Sprecher Alvi Karimow wörtlich als „Provokation“. Und dass die Ermittler in Wien Kadyrow als Drahtzieher ausgemacht hatten, weist Karimow als Lüge zurück. Nach einer Minute legt er den Telefonhörer auf: „Ich habe keine Lust, mich immer zum selben Thema äußern zu müssen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2010)

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