Der Mangel an Vertrauen im bzw. in den ORF ist manifest. Was hilft? Eine Neuwahl!
Ja, so gut ist sie gelungen, die 2001 versprochene Entparteipolitisierung des ORF. So gut, dass ein ORF-Direktor wegen Kritik an parteipolitischem Postenschacher den Hut nehmen muss (ORF-General Alexander Wrabetz hat das Vertrauen in ihn verloren). So gut, dass sich namhafte ORF-Journalisten „entsetzt“ an ihren Aufsichtsrat wenden, weil die Stiftungsräte nicht „unabhängig“ entscheiden, sondern als politischer „Freundeskreis“.
Wundern braucht man sich ja nicht: Der Stiftungsrat ist parteipolitisch besetzt. Wer sich gegen die (Partei-)Linie stellt, wird wohl nicht mehr in den Rat entsandt. Gepackelt wird vor allem bei (Personal-)Entscheidungen – allen voran bei der Wahl des ORF-Generaldirektors, die kommenden August ins Haus steht.
Amtsinhaber Alexander Wrabetz hat alle Hände voll zu tun: Er muss in der „Abhöraffäre“ kalmieren, die schäumenden Redakteure besänftigen, und Elmar Oberhausers Abwahl hat auch keine Ruhe gebracht. Nachdem am Montag Peter Moosmann verstorben ist, hat sich der „Super-Alex“ neben der Generaldirektion und den Agenden des geschassten Info-Direktors auch noch die Technische Direktion aufgehalst. Das alles schreit geradezu nach einer raschen Neuwahl. Nicht erst im August, sonst droht ein monatelanger Ausnahmezustand. Bei der Gelegenheit könnte man die geheime Wahl im Stiftungsrat wieder einführen. Wenn nicht jeder sieht, wer für wen oder was die Hand hebt, werden sich Räte leichter tun, nach dem Gewissen statt nach Parteilinie zu entscheiden.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2010)