ORF: Wrabetz will Abhöraffäre intern besprechen

ern
ern(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Doris Hoefler)
  • Drucken

ORF-General Alexander Wrabetz in Bedrängnis. Die Redakteure kritisieren den Stiftungsrat, die Direktoren kritisieren ORF-Sprecher Pius Strobl und ein internes ORF-Volksbegehren steht im Raum.

Der ORF findet keine Ruhe. Am Montag erreichte den Küniglberg die Botschaft, dass der Technische Direktor Peter Moosmann in den frühen Morgenstunden seinem Krebsleiden erlegen ist (siehe Nachruf unten).Dass ORF-General Alexander Wrabetz nun nach der Informationsdirektion des geschassten Elmar Oberhauser auch die Aufgaben von Moosmann (wenn auch nur vorübergehend) übernehmen will, sorgte im ORF für Aufregung. FPK-Stiftungsrat Siggi Neuschitzer meinte dazu, er fühle sich „gepflanzt“, die ORF-Neuwahlen (die regulär Ende August 2011 anstehen) seien „in Absprache mit der Bundesregierung sofort auszuschreiben“.

„Image des ORF beschädigt“

Zweiter Aufreger war die geharnischte Kritik von einigen bekannten Redakteuren: Sie kritisierten am Wochenende in einem offenen Brief, dass die Stiftungsräte offenbar nicht unabhängig, wie vom Gesetz verlangt, sondern parteipolitisch agieren: „Seit wir hier arbeiten, war das öffentliche Image des ORF noch nie so beschädigt wie in diesen Tagen. Was haben Sie als unsere Aufsichtsräte dazu getan, das zu verhindern?“ Der Stiftungsrat antwortete darauf nicht. Der Leiter des ÖVP-„Freundeskreises“, Franz Medwenitsch, meinte zur „Presse“, er wolle erst mit den Autoren in Kontakt treten. Die Vorsitzende des Stiftungsrats, Brigitte Kulovits-Rupp (SPÖ), wollte den Brief nicht kommentieren. Mittlerweile macht das Gerücht eines „internen ORF-Volksbegehrens“ die Runde.

Dazu kam dem ORF dieser Tage eine seine quotenträchtigsten Redaktionen abhanden: „Universum“-Chef Walter Köhler hat gekündigt – und verlässt mit sechs Mitarbeitern den ORF. Dem Vernehmen nach ist er verärgert, weil er nicht Leiter der ORF-Wissenschaft wurde. Die Selbstständigkeit finanzieren könnte ihm Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz – der für seinen Privatsender Servus-TV Interesse an qualitativ hochwertigen Naturdokumentationen hat.

Für weitere Unruhe sorgt der Versuch von ORF-Kommunikationschef Pius Strobl, am Rande der Stiftungsratssitzung vergangenen Donnerstag Gespräche zwischen Direktoren und Journalisten „für die Kollegen intern“ mitzuschneiden. Onlinedirektor Thomas Prantner, Programmdirektor Wolfgang Lorenz und Radiodirektor Karl Amon waren empört – worauf Amon kurzerhand Strobls verdutzter Mitarbeiterin das Diktafon wegschnappte. Strobl ließ die Bänder sofort vernichten.

Medwenitsch sprach am Montag von einer „Abhöraffäre“ und einer „groben Rufschädigung für den ORF, die der Kommunikationschef zu verantworten hat“. BZÖ und FPÖ forderten die Suspendierung bzw. die Ablöse Strobls. Wrabetz wollte die Affäre nicht kommentieren, meinte aber, man werde sie „intern“ besprechen.

Weniger Gehör finden dieser Tage die guten Nachrichten: Am Montag befand sich der ORF-Finanzplan 2011 in Druck – mit dem Vermerk „Vertraulich!“ wurde er noch am selben Tag an die Stiftungsräte verschickt. Ein paar Zahlen konnte die „Presse“ allerdings vorab recherchieren: Die vom Stiftungsrat geforderte „schwarze Null“ des Öffentlich-Rechtlichen ist laut Plan mit einem gut ausgestatteten Plus von 300.000 Euro abgesichert – sie sollte sich also auch ausgehen, falls z. B. die Werbeeinnahmen unter den Erwartungen liegen sollten. Bei den Gebühreneinnahmen rechnet der ORF 2011 mit drei Millionen Euro Mehreinnahmen, die Werbung soll 210,5 Millionen Euro bringen.

Es kann zwar schlechter, aber auch besser kommen: Für 2010 hatte der ORF mit einem Plus von 100.000 Euro gerechnet – mittlerweile darf er auf zehn Millionen Euro hoffen. Die Werbung dürfte statt der zunächst erwarteten 208,2 Millionen nun doch 213 Millionen Euro einbringen.

Trotz der guten Zahlen sollen weitere 150 Mitarbeiter abgebaut werden – nur dann bliebe der Personalaufwand stabil, heißt es. Der Sachaufwand wird 2011 sinken – auch weil keine sportlichen Großereignisse auf dem Programm stehen.

Geld für ORF1 und den „Kaiser“

Gesichert ist 2011 die programmliche Umgestaltung des ORF1-Dienstags – mit einer Doku-Soap, einem neuen Magazinformat und einer wöchentlichen Diskussionssendung für junge Zuschauer. Weiters sollen 18 neue Kulturdokumentationen von den Landesstudios produziert werden – für die bundesweite Ausstrahlung. Auch „Dancing Stars“, die „Kaiser“-Festspiele mit Robert Palfrader und ein weiteres größeres Show-Event im zweiten Halbjahr 2011 sind im Finanzplan vorgesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Jetzt geht's um den Chefsessel

Der Rücktritt von Pius Strobl könnte der Anfang vom Ende für Alexander Wrabetz sein.
vorbei ORFKommunikationschef tritt zurueck
Medien

"Es ist vorbei": ORF-Kommunikationschef tritt zurück

Der nächste Abgang im ORF: Kommunikationssprecher Pius Strobl hat seinen Rücktritt bekannt gegeben. Auslöser war eine Abhöraktion beim Stiftungsrat. Er gilt als engster Vertrauter von ORF-Chef Wrabetz.
Stiftungsraete basteln ORFNeuwahlantrag
Medien

Stiftungsräte basteln an ORF-Neuwahlantrag

Der Stiftungsrat will die Wahl der ORF-Geschäftsführung vorverlegen: Dafür könnte das ORF-Gesetz geändert werden, auch eine Verkürzung der Funktionsperiode ist angedacht.
ORFDirektoren Aussprache Strobl nicht
Medien

ORF-Direktoren: "Aussprache mit Strobl nicht möglich"

Nach dem Rücktritt von Kommunikationschef Pius Strobl melden sich auch die vier verbliebenen ORF-Direktoren zu Wort. Ihr Statement im Wortlaut.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.