Rot-Grün: Ein Drittel weniger Autofahrten bis 2015

Rot-Grün: Ein Drittel weniger Autofahrten bis 2015
Rot-Grün: Ein Drittel weniger Autofahrten bis 2015Die Wiener Stadtregierung nach der Unterzeichnung des rot-grünen Koalitionspaktes (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die rot-grüne Koalition entwickelt eine neue Verkehrspolitik. Der Autoverkehr soll zurückgedrängt, die "Öffentlichen" und der Radverkehr sollen forciert, die Bürger mehr eingebunden werden.

Wien. Seit Montag ist die erste rot-grüne Regierung auf Landesebene in Österreich Realität. Nach den Grünen segneten die roten Gremien die Koalition sogar mit 100 Prozent Zustimmung ab – worauf Bürgermeister Michael Häupl und Maria Vassilakou zur feierlichen Vertragsunterzeichnung schritten.

Doch was passiert, wenn Maria Vassilakou für die Verkehrspolitik in Wien verantwortlich ist? Beginnt der Kampf gegen die Autofahrer? Müssen alle mit dem Rad fahren? Und was ändert sich im Planungsbereich? „Die Presse“ bringt alle Details zum Wiener Koalitionspakt. Diesmal: Was auf die Wiener im Bereich Verkehr und Stadtplanung zukommt.

• Ein Drittel weniger Autos. „Ziel ist es, den motorisierten Individualverkehr in Wien um rund ein Drittel zu reduzieren“, heißt es in dem Papier. Im Gegenzug soll der Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel auf vierzig Prozent, der Radfahreranteil auf zehn Prozent verdoppelt und der hohe Fußgängeranteil gehalten werden.

Mit anderen Worten: Die Wiener sollen dazu bewegt werden, das Auto stehen zu lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen oder ihre Wege zu Fuß und per Rad zu erledigen. Wie man die Wiener dazu motivieren möchte, zeigen verschiedene Punkte des Koalitionspapiers.

• Parkpickerl wird ausgeweitet. Die Parkpickerlzone soll, falls es ein Bezirk will, über den Gürtel hinaus ausgeweitet werden. Laut der grünen Parteichefin Maria Vassilakou gibt es bereits einige Anfragen. Durch diese Maßnahme will man erreichen, dass vor allem Pendler aus Niederösterreich und dem Burgenland ihr Auto in eine Park& Ride-Anlage stellen. Von der Parkpickerlausweitung werden vor allem Bezirke in Gürtelnähe betroffen sein. Geprüft wird auch das „Anrainerparken“ – also Parkplätze in den Bezirken, die nur für Anrainer reserviert sind.

Ausbau der „Öffentlichen“. Ein Ausbauprogramm für die Straßenbahn wird initiiert. Das betrifft z. B. die Verlängerung von Kagran über Hirschstetten ins Stadtentwicklungsgebiet Aspern. Innerstädtisch sollen Straßenbahnlinien überlastete Buslinien ersetzen. Gleichzeitig will man Straßenbahn und Bus beschleunigen, indem der Vorrang bei Ampeln ausgebaut wird.

• Ausbau der Radwege. Der Radverkehr soll von fünf auf zehn Prozent verdoppelt werden. Dafür werden Radwege massiv ausgebaut und Hochleistungsstrecken nach dem Vorbild des Wiental-Radhighways gebaut, z. B. eine Langstreckenverbindung vom 22. Bezirk in das Zentrum. Dazu kommt der Ausbau von „Radverkehr gegen die Einbahn“. Zur Hebung der Verkehrssicherheit soll im Gegenzug ein Radführerschein für Zehnjährige in der vierten Schulstufe eingeführt werden.

• „shared space“ in Wien. Das Konzept: Verkehrsflächen sollen von allen Verkehrsteilnehmern benutzt werden. Was chaotisch klingt, hat sich in den Niederlanden und auch in der Steiermark bewährt. Die Bezirke sollen dazu Pilotprojekte entwickeln.

• Bürgerbeteiligung ausbauen. Künftig will man bereits vor der Flächenwidmung die Bürger bei Bauprojekten einbinden. Eine stärkere Einbindung soll es auch bei Grätzelprojekten in den Bezirken geben. Für den Ausbau der Bürgerbeteiligung werden Pilotprojekte gestartet, die bis 2012 evaluiert werden.

Straßenausbau. Das hochrangige Straßennetz wird weiter ausgebaut. Das war eine Bedingung der SPÖ – die Grünen haben zähneknirschend zugestimmt.

Sperre am Ring. An vier Wochenenden im Jahr soll ein Abschnitt des Rings für Sport- und Kulturveranstaltungen gesperrt werden.

• Mehr Grünraum. In jedem Bezirk sollen ein neuer Park und Freiraum entstehen – wenn es die Bezirksfinanzen zulassen. Ebenfalls geplant: Biogärten, in denen die Wiener ihr eigenes Biogemüse anbauen können.

• Neue Abgaben. Im Bereich Parkraumbewirtschaftung und Garagenbau heißt es kryptisch: „Ein Rechtsgutachten wird erstellt, um die rechtliche Situation zum Thema Verkehrserreger bzw. Verkehrsanschlussabgabe“ zu prüfen. Im Klartext heißt das: Wenn ein Einkaufszentrum eine eigene (Autobahn-)Abfahrt benötigt, damit die Umgebung nicht im Verkehr erstickt, sollen das die Bauträger des Einkaufszentrums bezahlen. Ebenso sollen Bauherrn zur Kasse gebeten werden, die auf der grünen Wiese ein Projekt errichten, das weitab des öffentlichen Verkehrs ist – womit die Stadt gezwungen ist, das dortige Verkehrsnetz deutlich auszubauen.

Auf einen Blick

Unterzeichnung. Mit 100 Prozent Zustimmung segneten die SPÖ-Gremien die rot-grüne Koalition gestern, Montag, in Wien ab. Sie wurde dann im Wiener Rathaus unterzeichnet. Laut Koalitionsabkommen wird sich in den nächsten fünf Jahren einiges in Wien ändern. Das betrifft vor allem den Verkehr in der Stadt und die Bürgerbeteiligung, die es nicht nur bei Großprojekten geben soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. November 2010)

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