Eine Personalentscheidung von Michael Häupl polarisiert und spaltet den bisher geschlossenen SPÖ-Klub im Rathaus. Nebenbei sorgt Rot-Grün für Diskussionen an der roten Basis.
Eine Personalentscheidung von Bürgermeister Michael Häupl sorgt für Unruhe, spaltet den bisher geschlossenen SPÖ-Rathausklub und mündet in einem Szenario, das für die Kaderpartei SPÖ ungewöhnlich ist: Es gibt eine Kampfabstimmung.
Auslöser ist der Wunsch des Bürgermeisters, den von ihm abgelösten Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker als Klubchef vorzuschlagen. Diesen Posten reklamiert aber der Simmeringer Bezirksparteichef Harald Troch für sich, während der bisherige Klubchef Siegfried Lindenmayr, ein Kompromisskandidat, mit dem alle leben können, seinen Posten räumen soll.
„Es ist die Wahl zwischen zwei Verlierern, die auch noch polarisieren“, ist in SP-Kreisen zu hören: „Weder Schicker noch Troch sind Integrationsfiguren und besitzen den nötigen, vollen Rückhalt im Klub.“
Schicker sei bereits vor der Wahl ständig als Ablösekandidat genannt und so demontiert worden, heißt es. Manche sprechen jetzt von der äußerst unglücklichen Optik eines Versorgungsjobs für einen Ex-Stadtrat: „Für diesen Posten brauchen wir jemand, der noch nicht angepatzt ist, eine Integrationsfigur“, ist in Abgeordnetenkreisen zu hören: „Das ist nicht Schicker, aber auch nicht der Simmeringer Harald Troch.“
Dieser hat nach „Presse“-Informationen wegen Schickers mangelnder Verankerung im Klub die Chance gewittert, sich den Posten des SP-Klubchefs zu sichern. Troch kämpft parteiintern aber ebenso mit einem Verliererimage, wie Partei-„Freunde“ meinen: Der Simmeringer hatte als Bezirksparteiobmann am 10. Oktober das größte Minus eines Bezirks in Wien zu verantworten und in seinem Wahlsprengel mit 39,12 Prozent das schlechteste Ergebnis in Simmering und eine persönliche Niederlage eingefahren. Und jetzt trete er gegen Schicker an, der zwar kaum Rückhalt im Klub hat, aber der Wunschkandidat des Bürgermeisters ist.
Was laut SP-Kreisen ebenfalls gegen den Simmeringer Troch spricht: Es gibt massive Vorbehalte und Proteste gegen Rot-Grün in den Flächenbezirken, heißt es: Ob er die Idealbesetzung als Klubobmann in einer rot-grünen Koalition ist, während auch in seinem Simmering deutlich gegen Rot-Grün opponiert wird, bezweifeln nicht wenige Mandatare.
Damit herrscht im SP-Klub vor der Kampfabstimmung zwischen Schicker und Trocht eine klassische Pattstellung.
Apropos Unmut: Dass Häupl Maria Vassilakou ein riesiges Ressort mit Verkehr, Stadtplanung, Energie und Klimaschutz überlassen hat, verärgert viele SPÖ-Funktionäre. Vor allem der Verlust des Verkehrsressorts empört nicht wenige Genossen an der Basis (vor allem in den Flächenbezirken), die sich auch noch mit wütenden SPÖ-Wählern auseinandersetzen müssen, die stark FPÖ-affin sind. In Bezirken, in denen die FPÖ massive Zugewinne verzeichnen konnte, spielen die Themen Verkehr und Integration eine zentrale Rolle. Und dort haben rote Funktionäre derzeit einen schweren Stand: „Wir bekommen alles ab“, meint ein frustrierter Bezirksfunktionär: „Eine grüne Verkehrsstadträtin sehen viele als Bedrohung. Und viele glauben, dass es im Integrationsbereich jetzt noch schlimmer wird.“
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. November 2010)