Ein „Sofortpaket Gas-Exit“ hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace geschnürt. Kernbotschaft: „Weichen stellen, aber in die richtige Richtung!“
„Kein Cent mehr für Putin und seinen Krieg“, überschreibt Jasmin Duregger, Klima- und Energiesprecherin von Greenpeace Österreich das Thema. Sie fordert, dass „wir uns jetzt von der fossilen Abhängigkeit befreien und so rasch wie möglich in eine grüne und friedliche Energiezukunft katapultieren.“ Dazu hat die Organisation ein „Sofortpaket Gas-Exit“ formuliert.
An dessen ersten Stellen stehen dabei eine „Akut-Milliarde“ und die Weichenstellung, um die 600.000 Öl- und 900.000 Gasheizungen, die in österreichischen Haushalten betrieben werden, gegen Systeme nicht-fossiler Energieträger auszutauschen.
Diesen Ansatz unterstützt Sigrid Stagl, Professorin am Institut für ökologische Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität in Wien: „Es darf keine Frage sein, ob wir uns von der fossilen Abhängigkeit befreien, sondern nur eine Frage, wie schnell wir das tun.“ Sie fordert, dass die Weichen für den Gasausstieg der Industrie gestellt werden müssten. Es sei jetzt die „Aufgabe der Politik, Unsicherheiten rauszunehmen“. Und: Es müssten jetzt „Weichen gestellt werden, aber in die richtige Richtung!"
Auch Klima- und Energieforscher Daniel Huppmann (Forscher am IIASA) plädiert für rasche Maßnahmen. Er hält auch kurzfristig den Stopp des Imports russischen Erdgases bis zum nächsten Winter für möglich, „sodass die Versorgung der Haushalte garantiert ist, das Stromsystem stabil läuft und es nicht zu einem Schaden für Industrie und Wirtschaft kommt.“ Sowohl Stagl als auch Huppmann warnen aber vor „Lock-in“-Entscheidungen. Weichenstellungen also, mit denen fossile Technologien einbetoniert werden – etwa bei LNG dadurch, dass in Flüssiggas-Terminals investiert werde.
Stagl: „Dies erhält bloß die Pfadabhängigkeit – je mehr Geld in eine Technologie investiert werde, desto teurer werde der Ausstieg. Huppmann: „Der Weltklimarat warnt davor, dass wir durch kurzsichtige, unüberlegte Maßnahmen langfristig noch größere Schäden in Kauf nehmen. Deshalb dürfen wir durch unsere Reaktion auf den Angriffskrieg in der Ukraine die notwendige Energiewende in Österreich und Europa nicht verzögern.” Brückentechnologien dürften nicht eine „Bridge to Nowhere“ sein. Huppmann und Stagl treten auch entschieden dafür ein, dass die Taxonomie-Verordnung geändert werde. Erdgas als nachhaltige Energie zu betrachten, sei im Lichte der jüngste Ereignisse nicht vertretbar.
Warnung vor falschen Signalen
Michael Spiekermann, Sprecher von „Fridays for Future“, streicht heraus, dass jetzt ein sozialverträgliches Phase-Out-Konzept umgesetzt werden müsse, „mit ganz klaren Zielen“. Er verlangt diesbezüglich Tempo, denn „die Erlöse aus dem Verkauf von Gas und Öl haben Putins Panzer finanziert.“
Stagl hält es für ein völlig falsches Signal, wenn „jetzt jemand erwägen sollte, die CO2-Steuer auszusetzen. Klimaschutzmaßnahmen jetzt zu verzögern. wäre genau das Falsche.“ Sie fordert, dass „endlich“ die Beträge offengelegt werden, mit denen fossile Energie gefördert werden. Sie verweist auf internationale Arbeiten, in denen es heißt, dass „sechs Prozent des Produktionswerts ausmacht“.
Die Forscherin tritt dafür ein, dass für Erneuerbare Energien ein starkes Bauprogramm gestartet werde – etwa bei Autobahnen, bis zum Errei9chen des technisch Möglichen: Verfügbarkeit von Paneelen und von entsprechend ausgebildeten Installateuren. Es müsse jetzt jedenfalls „alles gemacht werden, was möglich ist.“ So könne der Umstieg auf nicht-fossile Energien bei Heizsystemen in öffentlichen Gebäuden „jederzeit begonnen werden.“ Stagl fordert außerdem, dass verstärkt Initiativen gestartet werden, um Energie zu sparen.
Die Forderungen von Greenpeace gehen Hand in Hand mit jenen, die „Global 2000“ aufgestellt hat. Diese Organisation hat auch eine Erhebung über die derzeitige Situation in den Landeshauptstädten erstellt. Kernaussage: Der Aufholbedarf ist groß.
Zu Wort gemeldet hat sich auch der Dachverband Erneuerbare Energien, der ebenfalls für die Beschleunigung des Ausstiegs aus Öl und Gas eintritt.
Das „Sofortpaket Gas-Exit“ von Greenpeace:
- Akut-Milliarde. Mit der Ausweitung der Fördertöpfe für Erneuerbare Energien sollen Photovoltaik, Speichertechnologien, thermische Sanierung, Wärmepumpen und Solarthermie finanziert werden.
- Heizungstausch. Alte Ölheizungen sollen nicht mehr durch neue ersetzt werden. Bei Neubau und Sanierung sollen Gasheizungen nicht mehr durch Gasheizungen ersetzt werden. Die rechtlichen Vorgaben müssten dahingehend geändert werden, dass der Ersatz von Gasheizungen auch gegen den Willen des Mieters möglich wird. Außerdem sei die Gasanschlusspflicht abzuschaffen.
- Landesregierungen. Greenpeace wirft den Bundesländern vor, Erneuerbare Energien teilweise zu blockieren; diese Blockadehaltung sei aufzugeben.
- Ausstieg aus fossilen Heizsystemen. Im öffentlichen Sektor sei der Ausstieg aus fossilen Energien zu beschleunigen.
- Rahmenbedingungen. Strukturen und Bürokratie seien so umzugestalten, dass die Akut-Milliarden rasch investiert werden kann.
- Energieverbrauch. Energie zu sparen müsse investiert werden.
- Förderung. Die Förderungen müssten die Erneuerbare Energien klar bevorzugen und beflügeln. Der endgültige Ausstieg müsse bis 2035 und der aus Erdgas-Heizungen bis 2040 über die Bühne sein. Förderungen für fossile Energien sollen eingestellt werden.
- Sozialverträglichkeit. Der Umstieg bei den Heizsystemen müsse sozialverträglich gestaltet werden.
- Industrie und Landwirtschaft. In diesen beiden Bereichen müsse es Dekarbonisierungs-Programme geben.
- Klimaschutzgesetz. Dieses Gesetz sei überfällig und müsse konkrete Ziele formulieren.
- Lock-In-Effekte. Der Einsatz klimaschädlicher Technologien wie Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) darf nur eine Notfall-Überbrückungslösung sein. Investitionen in neue klimaschädliche Gasinfrastruktur wie z.B. Flüssiggas-Terminals, Tanks, Gaspipelines, Gasanschlüsse für den Niedrigtemperaturbereich in Haushalten, etc. dürfen nicht getätigt werden.
- Mobilität. Um generell die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden, müssten die zahlreichen Konzepte für nachhaltige und zukunftsfähige Mobilität endlich auf den Weg gebracht werden. Dazu gehört Öffis ausbauen ebenso wie Infrastruktur für sanfte Mobilität schaffen.
Forderungspaket des Dachverbands Erneuerbare Energien
- Bekenntnis der Bundesländer zum Klimaschutz und qualifizierten Zielen, um als Republik Österreich diese Ziele zu erreichen
- Ressourcen und Potenziale für erneuerbare Energien in den Bundesländern: Sie bilden die Basis für die Festlegung verbindlicher bundeslandspezifischer Ziele. In Summe müssen damit 100 Prozent Strom bis 2030 und die Klimaneutralität bis 2040 erreicht werden.
- Ausweisung von Flächen, wo Projekte realisiert werden sollen, in der Größenordnung der zu erreichenden Ziele
- Konkrete Zeitpläne für die rasche Realisierung der Potenziale
- Die Schaffung von administrativen Strukturen und Tools zur Genehmigungsbeschleunigungen (ausreichende Ausstattung des Sachverständigendienstes, Fristen, etc.)
- Konkrete Pläne der Bundesländer zum Ausstieg aus fossilem Gas und die Forcierung von Biomasse und weiteren Alternativen in der Raumwärme
- Vorlage der notwendigen Aus- und Umbaumaßnahmen der Verteilinfrastruktur (für Strom, Wärme und Gas), sowie Umsetzungszeitpläne dazu;
Außerdem fordert der Dachverband, dass der erforderliche Rahmen von Gesetzen und Verordnungen geschaffen werde - wie auch die geeigneten Instrumente, um die Maßnahmen abwickeln zu können:
- Erneuerbares Wärmegesetz
- Erneuerbares Gasgesetz
- Energieeffizienzgesetz
- Klimaschutzgesetz
- Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz
>> Die Studie über Energie in den Landeshauptstädten
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