Erst wenn der Westen aufhört, die Ukraine in den Westen „zurückzubringen“, gibt es jetzt noch eine Chance auf eine Lösung.
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Die einfachste und üblichste Erklärung für Kriege ist stets die der menschlichen Irrationalität und Aggressivität. Seit jeher konzentrieren sich zwei oder mehr Konfliktseiten darauf, ihre Gegner als wahnsinnig und unzurechnungsfähig darzustellen. Aus westlicher Sicht scheint es daher sonnenklar, dass der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine auf die russische Aggression zurückzuführen ist: auf die megalomanischen Fantasien eines irrationalen russischen Präsidenten, die jegliche Diplomatie zum Scheitern gebracht hat.
Die Wissenschaft von den Internationalen Beziehungen (IR) würde diese Situation jedoch ganz anders erklären. In IR hängt die Sicherung des Weltfriedens nicht von Einzelpersonen und deren Fantasien, Emotionen oder Motivationen ab, sondern vom internationalen System selbst. Um den Ukraine-Krieg zu begründen, sollte man daher nicht nur auf Russland und seinen Präsidenten blicken, sondern auf den internationalen Kontext, in dem dieser Konflikt eskaliert ist. Betrachtet man nämlich das große Ganze, so führt der Weg zurück zu uns selbst, zum Westen und seinen liberalen „Utopien“ und „Paradoxien“.