Wort der Woche

Klimawandel: Positive Folgen wiegen Schäden nicht auf

Der neue Weltklimabericht weist nach, dass sich die negativen Auswirkungen des Klimawandels, Entwicklungsdefizite und Ungleichheit gegenseitig verschärfen.

Der 3675 Seiten starke Bericht, den der UN-Weltklimarat IPCC am Montag vorgelegt hat, könnte nicht deutlicher sein: Die Klimaerwärmung ist real, die Folgen sind bereits deutlich spürbar und werden künftig in weiten Teilen der Welt große Probleme verursachen. Die Fakten, die die rund 270 Klimaforscherinnen und -forscher aus 67 Staaten zusammengetragen haben, muten stellenweise beinah apokalyptisch an. Ein Beispiel: Der Anteil der Weltbevölkerung, der zumindest zeitweise unter Hitzestress leidet, könnte sich bis Ende des 21. Jahrhunderts von derzeit einem Drittel mehr als verdoppeln – vielerorts könnte es dann an 250 Tagen im Jahr für ein Arbeiten im Freien zu heiß sein.

Man kann den IPCC-Experten allerdings nicht vorwerfen, dass sie ein einseitig negatives Bild zeichnen würden. Denn dargestellt werden auch positive Folgen des Klimawandels, die es in manchen Regionen bzw. Bereichen gibt. Am Beispiel Europas zeigt sich etwa, dass der Heizbedarf zurückgeht. Relativer Gewinner ist Nordeuropa, wo u. a. die Agrarproduktion wächst und winterliche Schäden an der Infrastruktur zurückgehen – wohingegen sich Hitze und Dürre v. a. auf Südeuropa negativ auswirken.

Die Autoren halten klar fest, dass mögliche positive Folgen die großflächigen Schäden nicht aufwiegen können. Dabei geht es nicht nur um eine Summenbetrachtung. Es geht auch darum, dass verschiedene Bevölkerungsschichten unterschiedlich stark vom Klimawandel betroffen sind – und dass bestehende soziale Unterschiede noch vergrößert werden. So leben ärmere Menschen häufiger in überflutungsgefährdeten Gebieten oder in Wohnungen, die im Sommer überhitzen; sie haben auch weniger Mittel, um sich vor Gefahren zu schützen. „Die negativen Auswirkungen des Klimawandels, Entwicklungsdefizite und Ungleichheit verschärfen sich gegenseitig“, heißt es im Bericht.

Weltweit leben laut IPCC 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen in Verhältnissen, die sie sehr verletzbar durch den Klimawandel machen. Wird bei den Anpassungsmaßnahmen nicht auch auf soziale Verträglichkeit geachtet, drohen die Probleme für diese Menschen noch größer zu werden. Als Beispiel nennen die IPCC-Experten Renaturierungen: Diese haben zwar viele positive Folgen (sie sichern z. B. die Versorgung mit Grundwasser oder schaffen neue Erholungsräume), können aber auch dazu führen, dass Grundstücks- und Lebensmittelpreise deutlich steigen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2022)

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