Auf dem Weg ins Schisma? Wie der Appell des Metropoliten von Kiew Onufrij zustande kam, sich Wut aus Moskau entlud und die Revolution von unten passiert: „Die Presse“ sprach mit ukrainischen Priestern und Theologen.
Sonntag Abend in Sumy, Nordostukraine. „Wir sind in der Stadt eingeschlossen“, sagt Georgiy Taraban am Telefon, seine Frau hat nach einem Bombenalarm gerade die Fenster geschlossen. „Die Stromversorgung funktioniert wieder, aber Wasser ist ein Problem, auch Benzin und spezielle Medikamente“; von Letzterem ist auch Taraban betroffen. „Heute hatten wir einen Gottesdienst“, sagt der Priester. „Da haben wir den russischen Patriarchen Kyrill nicht kommemoriert.“
Die liturgische Würdigung Kyrills – sie ist das Symbol der Unterordnung unter den Patriarchen von Moskau. Denn die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche ist ein Teil der Russisch-Orthodoxen. Oder wird man bald sagen: war? Rund ein Viertel der Diözesen im Land verweigert schon offiziell, Kyrill zu kommemorieren, viele Priester im Land tun es auf eigene Faust. „Meinen Informationen zufolge hat schon eine große Mehrheit der Gemeinden aufgehört“, sagte am Montag der ukrainische Geistliche und derzeit in Stockholm lehrende Hochschulprofessor Cyrilo Hovorun der „Presse“.
Die Abwendung von Moskau vollzieht sich seit dem 24. Februar in rasendem Tempo. Wird sie zum Schisma führen? „Es ist klar, dass Kyrill den Kampf verliert und wir vor der Bildung einer unabhängigen Kirche stehen“, meint Sergej Chapnin vom Carnegie Moscow Center im Gespräch.