Lernen: Reden mit Gebärden

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Bis zu vier Sprachen müssen hörbeeinträchtigte Kinder mit Migrationshintergrund erlernen. Genauso wie manche Kinder motorisch sehr geschickt sind, haben manche hohe Sprachkompetenzen.

Wien. „Wir sind österreichweit der einzige Kindergarten in dieser Form“, sagt Alexandra Moudry, Sonderkindergartenpädagogin im Kindergarten Gussenbauergasse. Gemeint ist der Fokus auf die Gebärdensprache als Zweitsprache. Das Besondere an dem Kindergarten in Wien Alsergrund ist, dass eine Pädagogin hier arbeitet, die selbst von Geburt an schwerhörig ist. In anderen Kindergärten werden Kinder von hörenden Pädagogen unterrichtet, haben dabei maximal eine gehörlose Assistentin.

Insgesamt betreut der Kindergarten in zwei Gruppen 40 Kinder, davon weist fast die Hälfte einen Migrationshintergrund auf – wiederum vier davon haben eine Hörbeeinträchtigung. Wenn dann auch noch die Eltern gehörlos sind, wirkt sich der Spracherwerb für das Kind erschwerend aus, da es zwei Lautsprachen und zwei Gebärdensprachen lernen muss.

Das Kind kann die Sprachen dann schon einmal durcheinanderbringen. Hier komme es auf die Sprachkompetenzen eines Kindes an, das sei bei hörenden Kindern nicht anders. Genauso wie manche Kinder motorisch sehr geschickt sind, haben manche hohe Sprachkompetenzen. Das Umfeld des Kindes ist ebenfalls ausschlaggebend. Eltern mit einem guten Wortschatz können ihn ebenfalls bei ihrem Kind aufbauen.

In der Gussenbauergasse ist das Niveau der Kinder mit und ohne Migrationshintergrund gemischt. „So können die Kinder auch gut voneinander lernen“, weiß Kindergartenpädagogin Tamara Wrchowszky. Auf Pauschalurteile will man die Kinder nicht reduzieren. So hätte ein indisches Mädchen, das anfangs überhaupt kein Deutsch sprechen konnte, innerhalb von einem Jahr sowohl in der Gebärdensprache als auch in Deutsch ein gutes Level erreicht.

Nicht alle sind gehörlos

Daher spielt der Migrationshintergrund der Kinder auch keine Rolle. Wrchowszky: „Wir schauen nicht, wo die Eltern herkommen, oder welchen Beruf sie ausüben“, wichtiger sei das Miteinander, und wie die Eltern mit dem Kind umgehen.

Doch nicht alle Kinder sind gehörlos. Manche haben nur gehörlose Eltern. Andere wiederum besuchen den Kindergarten, weil er einfach in der Nähe ist, oder aber die Eltern halten die Gebärdensprache für ein Plus. Doch für alle gilt eines: Die Behinderung der Kinder ist kein Thema, da die Gebärdensprache als Zweitsprache gelehrt wird, ist sie für alle Kinder eine Selbstverständlichkeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2010)

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