Corona

Neue Welle im Herbst? Experten schließen neuerlichen Lockdown nicht aus

Die Kommission bewertet die allgemeine Impfpflicht in Österreich zwar als "nicht erforderlich" bzw. "nicht angemessen". Dennoch betont sie, wie wichtig die Impfung im Kampf gegen die Pandemie weiterhin ist.
Die Kommission bewertet die allgemeine Impfpflicht in Österreich zwar als "nicht erforderlich" bzw. "nicht angemessen". Dennoch betont sie, wie wichtig die Impfung im Kampf gegen die Pandemie weiterhin ist. (c) Getty Images (Jan Hetfleisch)
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Die Impfpflicht gegen das Coronavirus wird vorerst ausgesetzt. Das hat die Regierung am Mittwoch im Ministerrat entschieden - auf Basis des Berichts einer eigens eingesetzten Experten-Kommission. Diese warnt jedoch auch davor, das Geschehen zu unterschätzen.

Die Expertenkommission zur Impfpflicht warnt in ihrem 25-seitigen Bericht davor, dass im Herbst "sehr wahrscheinlich" eine neue, möglicherweise massive Corona-Welle zu erwarten ist. Ist man auf diese nicht vorbereitet, könnte es wieder zu einschneidenden Maßnahmen bis hin zu Lockdowns kommen. Eine sofortige Impfpflicht sei dennoch "nicht erforderlich" bzw. "nicht angemessen“. Eine Verschiebung berge den Vorteil, dass die Maßnahme dann nicht mehr notwendig sein könnte.

Grundsätzlich wird festgehalten, dass die Impfung ein zentrales Element zur Bewältigung der Pandemie sei und eine Verpflichtung daher einen Nutzen hätte: "Die grundsätzliche Impfpflicht als probates Mittel zur Sicherstellung einer hohen Durchimpfungsrate ist prinzipiell weiterhin sinnvoll, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden", heißt es in dem Bericht.

Allerdings hänge das ob und wann von mehreren Faktoren ab, etwa von der epidemiologischen Entwicklung, inwieweit die Immunität durch Impfung oder Erkrankung abnehme, der Wertigkeit von Therapien als möglichem Ersatz zur Impfung oder der weiteren Entwicklung der Impfakzeptanz.

Impfpflicht würde keinen wesentlichen Einfluss auf Gesundheitssystem haben

Aktuell würde die Pflicht jedoch wohl nicht allzu viel bringen, wenn man den Experten folgt: "Es ist nicht zu erwarten, dass eine allgemeine Impfpflicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen wesentlichen Einfluss auf die Belastung der medizinischen Infrastruktur durch Covid-19-Patienten zu nehmen imstande ist." Dazu helfe die Saisonalität, die Infektionszahlen wieder nach unten zu bekommen: "Auch dadurch wird ein momentaner Handlungsbedarf weniger plausibel".

Nach Meinung der Experten wäre eine aktuelle Umsetzung der Impfpflicht rechtlich derzeit bloß bei Personen, die weder geimpft noch genesen sind, möglich. Dies kommt daher, dass eine dreifache Immunisierung bis zum Herbst nur bewerkstelligt werden kann, wenn bereits in nächster Zeit mit dem Impfen begonnen wird.

Allerdings gebe es auch bei dieser Gruppe medizinische und rechtliche Argumente für ein Hinausschieben der Umsetzung der Impfpflicht, schreiben die Experten. Denn für diese Personen sei eine verpflichtende Impfung ein besonders schwerwiegender Grundrechtseingriff. Außerdem wäre auch bei einer zweifachen Immunisierung im Herbst bereits ein gewisser Schutz vorhanden.

Geschehen „nicht unterschätzen"

Jedoch warnt die Kommission davor, das Geschehen zu unterschätzen. Laut Modellierungen würde im Oktober nur noch ein zehnprozentiger Schutz vor einer Ansteckung und lediglich ein 35-bis 50-prozentiger gegen eine schwere Erkrankung bestehen. Daher brauche es eine weitere Schutzimpfung im Spätsommer oder Frühherbst. Sonst könnte es bis zu 58.000 Neuinfektionen täglich geben und 1700 bis 3000 Intensivbetten belegt sein.

Dass man die Impfung ohne Pflicht umsetzen kann, bezweifeln die Experten. Es könnte "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nur durch eine Impfpflicht einigermaßen sichergestellt werden, dass rechtzeitig einem hohen Anteil jener Personen, die ihre Immunität verloren haben, wieder eine Immunität durch Auffrischungen zugeführt werde.

Entscheidend sei daher eine laufende Beobachtung und eine Reevaluierung der Situation in spätestens drei Monaten unter Beachtung des dann aktuellen Standes der Wissenschaft. Rechtlich bevorzugt man eine Verschiebung insofern, als sich so zumindest die Möglichkeit ergebe, dass sich in Folge neuer Entwicklungen (etwa besonders wirksamer Medikamente) oder Erkenntnisse, die Umsetzung ganz erübrige. Zu einem späteren Zeitpunkt könnten auch noch bessere Impfstoffe zur Verfügung stehen.

(APA)

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