Unstimmigkeit

ÖVP-Landesrätin sieht "falsches Signal" in Impfpflicht-Pause

Ungeimpfte müssen derzeit nicht mit Strafen rechnen.
Ungeimpfte müssen derzeit nicht mit Strafen rechnen. IMAGO/Future Image
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Während ÖVP-Landeshauptleute den Schritt positiv kommentieren, übt Vorarlbergs türkise Gesundheitslandesrätin scharfe Kritik. Auch die SPÖ-Chefs von Wien und dem Burgenland sind unzufrieden.

Dass die türkis-grüne Bundesregierung die seit Februar geltenden Impfpflicht gegen das Coronavirus aussetzt, stößt innerhalb der ÖVP auf eine erste kritische Stimme. Während ÖVP-Landeshauptleute den Schritt etwas zurückhaltend, aber positiv kommentierten, sprach Vorarlbergs ÖVP-Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher am Mittwoch von einem "falschen Signal". Scharfe Kritik äußerte die Opposition. Der FPÖ geht der Schritt nicht weit genug, SPÖ und Neos warnten vor einem neuerlichen Verschlafen des Sommers.

Kritisch zu dem von der ÖVP-Grünen-Koalition beschlossenen Vorgehen äußerte sich die Vorarlberger ÖVP-Landesrätin Rüscher: "Das ist das falsche Signal, denn damit wird der Bevölkerung vermittelt, dass die Impfung per se nicht hilft. Tatsächlich ist und bleibt sie aber der Weg, um letztlich die Pandemie zu überwinden."

Sie sähe eine Verschiebung von Bestrafungen als noch vertretbar an, nicht aber das gänzliche Aussetzen, sagte sie weiter. "So wird es extrem schwer werden, in drei Monaten wieder das nötige Bewusstsein zu schaffen, dass die Impfung doch Sinn macht, und die Menschen dafür zu motivieren. Die Belagszahlen in den Krankenhäusern werden diese Notwendigkeit voraussichtlich erst im Herbst sichtbar machen. Dann ist es aber zu spät, um zu reagieren", so Rüscher.

ÖVP-Länderchefs geben sich gelassen

Aus den ÖVP-Bundesländern kamen ansonsten zurückhaltend positive Wortmeldungen. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), der sich schon lange und als einer der ersten für eine Impfpflicht eingesetzt hatte, sagte in einer ersten Reaktion: "Mit der Abschaffung praktisch aller Maßnahmen per 5. März war die Impfpflicht, die sowieso ein Jahr zu spät kam, obsolet geworden. Der Bericht der Experten-Kommission liegt nun vor und diesen gilt es zu akzeptieren und umzusetzen.“ Ähnlich Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): "Die Empfehlung liegt nun da und ist es gut, diesem Rat der Wissenschafterinnen und Wissenschafter zu folgen." Erneut betonte sie: Sollte die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen kommen, dass es die Impfpflicht nicht mehr braucht, "bin ich die Erste, die sich dafür einsetzt, dass die Impfpflicht ausgesetzt wird".

Oberösterreichs Gesundheitslandesrätin Landeshauptmann-Stellvertreterin. Christine Haberlander (ÖVP) bezeichnete die Empfehlung der Expertenkommission, "dann zu impfen, wenn die Wirkung am größten ist", als nachvollziehbar. "Ich begrüße es daher, dass an der Impfpflicht festgehalten wird, denn es geht nicht um den aktuellen Zeitpunkt, sondern insbesondere um die Vorbereitung auf den Herbst und Winter", forderte sie den Bund auf, die Zeit aktiv zu nützen, um die technischen Rahmenbedingungen aufzubereiten und das Instrument tauglich zu stellen. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) kritisierte den Schritt mit Verweis auf die meisten Covid-Tages-Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie: Das Aussetzen der Impfpflicht stelle eine "Kapitulation" vor Coronaleugnern und Impfgegnern dar.

SPÖ-Länderchefs empört

Deutliche Kritik kam von den SPÖ-geführten Ländern Wien und dem Burgenland: "Man kann eine Impfpflicht machen, man kann auch keine Impfpflicht machen. Aber so, wie es jetzt die Bundesregierung macht, kann man es auf keinen Fall machen", hieß es in einem knappen Statement aus dem Büro von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.

Für Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ist das Aussetzen der Impfpflicht "abermals ein Beweis für das unkoordinierte Krisenmanagement der Bundesregierung". Zunächst habe man die Impfpflicht angekündigt, ohne zu wissen, wie man sie konkret umsetzen kann. Danach sei ein Gesetzesentwurf vorgelegt worden, der praktisch nicht umsetzbar gewesen sei und nun empfehle die Kommission, das bereits beschlossene Gesetz nicht zu vollziehen. Die Bevölkerung habe daher kein Vertrauen mehr in das Covid-Management der Bundesregierung.

(APA)

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