Weil sie auf einer Corona-Demo im September in Wien gelbe Davidsterne getragen haben, wurden zwei Männer zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilt.
Wegen gröblicher Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermordes oder anderer NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden am Donnerstag zwei Teilnehmer einer Corona-Demo verurteilt – zu jeweils 15 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung (bedingt). Die beiden Männer aus Wien, B. (34) und K. (50), hatten gelbe Davidsterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ getragen.
„Ich wollte aufzeigen, dass ich unterdrückt werde.“ Daher habe er am 11. September vorigen Jahres im Resselpark vor der Karlskirche gegen die Einführung der Impfpflicht demonstriert. Dass er damit gegen das NSDAP-Verbotsgesetz verstoßen könne, habe er aber nicht bedacht, sagte B. nun vor den Geschworenen.
Richter Ulrich Nachtlberger wollte wissen, wie B. zu den Davidsternen gekommen sei. Und bekam eine unerwartete Antwort: Der eingeschüchtert wirkende Angeklagte erzählte, dass er in den Bastel-Utensilien seiner kleinen Tochter gestöbert und dort Filz gefunden habe. Er habe sich, um historische Anklänge zu erzeugen, für den gelben Filz entschieden und aus diesem die Form des Davidsterns ausgeschnitten. Für seinen nun mitangeklagten Bekannten K. habe er auch einen Stern angefertigt. Letzterer gab sich ziemlich wortkarg, er sei damals zum ersten Mal auf einer Corona-Demo gewesen und habe „unbedacht“ gehandelt. Durch die Corona-Maßnahmen und die Einschränkungen für Ungeimpfte habe er sich „diskriminiert gefühlt“.
„Politik spaltet Gesellschaft“
Der Anwalt von K., Florian Höllwarth, erklärte: „Ich werfe der Politik vor die Gesellschaft zu spalten.“ Wenn man annehme, sein Mandant habe die NS-Zeit verharmlost, müsse man auch fragen, ob er im Sinne des Verbotsgesetzes „gröblich“ verharmlost habe. Das sei nicht der Fall gewesen. Daher bekannten sich K. und auch der von Anwalt Ernst Schillhammer vertretene B. „nicht schuldig“.
Staatsanwalt Martin Ortner meinte: „Es ist völlig in Ordnung zu demonstrieren und zu sagen: Die Corona-Maßnahmen gehen mir auf den Wecker.“ Aber wenn man die heutige Lage mit einer Polizei-Verordnung von 1941 – nämlich mit jener Verordnung, die für Juden das Tragen des Sterns vorschrieb – vergleiche, dann verniedliche man die NS-Verbrechen. Das wäre so, als vergleiche man „den Mount Everest mit dem Kahlenberg“. Ja, man dürfe demonstrieren, „aber nicht so“. Von der Verhängung einer unbedingten Haftstrafe hatte der Ankläger aber gleich zu Beginn des Prozesses abgeraten. Ihm ging es um das Erwirken eines Schuldspruchs.
Richter nimmt Angeklagten ins Verhör
Richter Nachtlberger las insbesondere dem 34-Jährigen, dem Hersteller der Sterne, die Leviten. Mit den Anfangsworten „Wissen Sie . . .“ ließ er einen Frageregen auf den Angeklagten niederprasseln. Dabei ging es um Vergleiche zwischen den mörderischen Schikanen, denen Juden Ende der 1930-er- und in den 1940-er-Jahren ausgesetzt waren – und der heutigen Corona-Situation. Kleinlaut musste B. letztlich eingestehen, dass der durch das Tragen des Davidsterns gezogene Vergleich „besonders abwegig“ war.
Beide Männer gelobten letztlich, nie wieder auf diese Art zu demonstrieren. Und meinten, es tue ihnen sehr leid. Die einstimmig ergangenen Geschworenen-Urteile, je 15 Monate bedingte Haft, sind nicht rechtskräftig.