Susin Nielsen erzählt von einem Mädchen, das sich nach einem tragischen Verlust schließlich doch dem Leben stellt. Feinfühlig und auch wunderbar komisch.
Petula empfindet die Welt als äußerst gefährlich. Bei schlechter Sicht trägt sie eine Warnweste (Autounfälle!), ihr Weg zur Schule folgt einer ausgeklügelten Logik zur Vermeidung von Gefahrenzonen (Baustellen! Verdächtige Objekte am Weg!) und den Bus würde sie ohnehin nie verwenden (Viren und Bakterien!). Sie sammelt Artikel über unvorhersehbare Todesfälle und ist der festen Überzeugung, dass Optimisten zehn Jahre früher sterben als Pessimisten. „Optimisten leben im regenbogengetünchten und zuckerglasierten Land des Leugnens. Optimisten übersehen Warnsignale“, glaubt Petula. Man muss nicht allzu lange warten, um den Grund für Petulas Ängste zu erfahren: Drei Jahre zuvor erstickte ihre kleine Schwester, sie hatte einen Knopf verschluckt. Einen Knopf ihres heißgeliebten Wolfskostüms, das Petula für sie genäht hatte.
Die Geschichte ist also tragisch, aber die vielfach ausgezeichnete kanadische Autorin Susin Nielsen schafft es, sie trotzdem leichtfüßig zu erzählen; mit herrlich komischen Elementen und vor allem einem großen Lichtblick: Jacob. Er ist groß, gutaussehend, hat einen Roboterarm. Und obwohl Petula sich oft erfolgreich gegen alles Positive stemmt, schafft er es doch, sie wieder ins Leben zurückzuziehen. Herrlich etwa der erste Kuss der beiden, der sich recht holprig anbahnt, sich dann aber wunderbar anfühlt: „So gut, dass ich, als sich Gedanken an durch Speichel übertragene Krankheiten wie Pfeiffer'sches Drüsenfieber oder Herpes in mein Hirn schlichen, imstande war, die meisten davon zu verdrängen.“
Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt Nielsen nicht nur von Petula, sondern von einer ganzen Gruppe recht kaputter Jugendlicher, die sich in Kunsttherapiesitzungen anflegeln und schließlich doch Freundschaften knüpfen. Ein wunderbares Buch, das letztendlich das Leben - trotz aller Risiken und Nebenwirkungen - feiert.
Susin Nielsen: Optimisten sterben früher. Aus dem Englischen von Anja Herre. Urachhaus, 2021. 256 Seiten, 18,50 Euro. Alter: Ab 14 Jahren.
