Stilaltbauten

Der kleine Schönheitsfehler bei den Altbauten

Erst langsam im Fokus von Käufern der High-End-Altbauwohungen: Heizung.
Erst langsam im Fokus von Käufern der High-End-Altbauwohungen: Heizung.(c) Getty Images (Alvarez)
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Im Luxussegment ist die Nachfrage nach Domizilen mit imperialer Pracht so groß, dass Details wie die kommenden Nachrüstungen durch die EU-Taxonomie noch kaum interessieren.

Sie sind elegant und glänzen mit imperialem Charme – aber auch die prächtigsten aller Stilaltbauten haben häufig einen Schönheitsfehler, der ganz unten auf den Exposés versteckt ist: die Werte des Energieausweises. Was bisher im Luxussegment so gut wie niemanden interessiert hat, weil die Käufer, deren Herz an Flügeltüren und Sternparkett hängt, diese unschönen Ziffern ebenso entspannt in Kauf nehmen wie das Knarren der Böden und die Abwesenheit rechter Winkel.

Ende der Gasthermen

In Zukunft könnte sich das allerdings ändern, denn mit dem Inkrafttreten der EU-Taxonomie zu Beginn des Jahres spielen die Nachhaltigkeitskriterien eine wesentlich größere Rolle, bis 2030 müssen weitere Vorgaben erfüllt werden – und ab 2040 sind beispielsweise Gasheizungen in Wien ganz verboten. Aber auch vor dieser Deadline hat das Ignorieren der Vorgaben Folgen, etwa dadurch, dass Finanzierungen immer schwieriger zu bekommen sind, weil auch die Banken auf die Taxonomie-Konformität schauen. Das ist aber bei der derzeitigen Geldschwemme, die im High-End-Segment angelegt werden soll, noch weniger ein Thema. Die Tatsache, dass nicht konforme Immobilien zukünftig eine deutlich geringere Wertsteigerung aufweisen werden, schon eher. Bei den heimischen Maklern im Premium-Bereich spielt die Problematik derzeit noch eine kleinere Rolle, in manchen Zusammenhängen wird sie aber durchaus schon spürbar.

„Dadurch, dass die Anzahl der schönen Altbauten überschaubar ist, haben die meisten Kunden diese Materie überhaupt nicht auf dem Radar“, berichtet Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien, „zumal die Energiepreise in keinem Verhältnis zu den Kaufpreisen stehen.“ Spannend werde es aber sicherlich dann, wenn die Gasthermen ganz verboten werden. „Darauf, wie das in den Altbauten funktionieren soll, bin ich gespannt“, meint Müller. „Speziell auch wegen der üblichen Eigentümerstrukturen, bei denen kein Quadratzentimeter Allgemeinraum ist, den man etwa für Luftwärmepumpen nutzen könnte.“

Auch Kristina Giacomelli, Inhaberin von Sangreal, berichtet, dass die EU-Taxonomie derzeit kaum noch ein Thema ist. „Bisher hat sich das noch nicht herumgesprochen. Aber Altbaukäufer sind ja fast immer Eigennutzer, da die Vermietung keinen Sinn hat. Da geht es darum, einen Teil von Wien und der Geschichte zu kaufen; viel wichtiger sind da momentan Freiflächen oder Parkplätze“, kennt sie die Prioritäten der Wiener Altbau-Klientel.

Energieausweis stärker gefragt

Sehr wohl werde aber immer häufiger nach dem Energieausweis gefragt, allerdings sei dieser für Laien nicht immer leicht zu verstehen. Vereinzelt tauchen aber durchaus Käufer auf, für die das ausschlaggebend ist. „Ich hatte vergangenes Jahr einen Kunden, der einen Altbau im Dach wegen der Gasetagenheizung nicht gekauft hat“, berichtet Elisabeth Rohr, Inhaberin von Rohr Real Estate. Außerdem seien in den letzten Wochen einige Baugenehmigungen für Objekte mit Gasetagenheizungen nicht erteilt worden, berichtet die Maklerin, die auch Vizepräsidentin des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft ist. Die Reparaturrücklagen seien ebenfalls ein Thema. Diese müssen bereits angehoben werden, um die in Zukunft nötigen Umbauten finanzieren zu können. „Was früher 50 Cent pro Quadratmeter waren, ist jetzt ein Euro – das schlägt vor allem bei großen Wohnungen schon zu Buche“, betont sie. Derzeit ließen diese Zahlen aber die sonst durchaus an Neben- und laufenden Kosten interessierte Luxuskundschaft kalt. „Momentan werden vor allem Altbauten an besonderen Adressen, etwa im Ersten, um fast schon jeden Preis gekauft“, sagt Rohr. „Und das in einem Ausmaß, dass man oft schon Probleme mit der Einwertung hat, weil die nach drei bis vier Monaten mitunter schon wieder überholt ist.“

Fonds nehmen Abstand

Wenn es um Stilaltbauten im ganz großen Stil geht, spiele die Nachhaltigkeit dagegen schon jetzt eine spürbare Rolle, berichtet Müller. „Ein Zinshaus ohne Nachhaltigkeitszertifikat kauft kein Fonds mehr“, weiß der Makler. „Und der Druck, der auf die Fonds gemacht wird, wird sich irgendwann auch auf die Endkunden auswirken.“ Allerdings müssen Altbaubewohner deshalb nicht mit schlechtem Gewissen leben: „Wenn ich heute einen Altbau abreißen und durch einen topmodernen Neubau ersetzen würde, wäre der ökologische Fußabdruck vernichtend im vergleich zu einem Altbau, der seit 100 Jahren steht.“ (SMA)

AUF EINEN BLICK

Während bei neuen Projekten der großen Entwickler längst darauf geschaut wird, dass Gründerzeithäuser entsprechend der seit heuer geltenden EU-Taxonomie adaptiert und saniert werden, stehen vielen Zinshäusern die teuren Umbauten erst noch bevor.

Im Premium-Segment interessiert das die Kunden derzeit (noch) wenig bis gar nicht, dafür ist der Run auf die begehrten Stilaltbauten vor allem in Wien einfach zu groß.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2022)

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