Gegengift

Das „gemeinsame Haus Europa“ reicht nicht bis zum Ural

Wegen des Ukraine-Kriegs wird wieder der Zusammenhalt auf diesem Kontinent beschworen. Eine Metapher dafür gibt es seit 1453.

Die deutsche Außenministerin hat soeben Sarajewo besucht und festgestellt: Der Krieg in der Ukraine beweise, wie dringlich es sei, dass die Staaten dieser Region sich rasch an die EU annäherten. Im geopolitischen Klub des Gegengifts in Erdberg, also am Rande des Balkans, waren wir nicht überrascht. Die Wendung, mit der Annalena Baerbock ihren Wunsch schmückte, ist uns wohlbekannt: „Wir wollen gemeinsam im europäischen Haus zusammenleben“, sagte sie geradezu universalhistorisch.

Diese schöne Metapher haben bereits fromme Humanisten verwendet, spätestens seit Konstantinopel 1453 von den Osmanen erobert worden war – die ultimative Bastion Ostroms. Schon begann unter uns ein durch und durch mitteleuropäischer Streit. Die Ältesten sagten, zu solch einem Hause fiele ihnen nur das der Habsburger ein. So viele Völker hatten die beherbergt, dass die Sonne über ihren Palästen niemals unterging. Nein, entgegneten Frankophile, das größte aller Euro-Gebäude sei von de Gaulle erdacht worden. Frankreichs Präsident wollte, dass es vom Atlantik bis zum Ural reiche. So etwas habe schon Napoleon vergeblich versucht, entgegneten Russophile drohend. Nicht viel besser sei Adenauers Sehnsucht nach einem derart gigantischen Projekt gewesen, mit dem der Kanzler der BRD just vor Beginn des Baus der Berliner Mauer heimatlos gewordene Schlesier beschwichtigen wollte. Sein Ziel: „ein großes, gemeinsames Haus für alle Europäer, ein Haus der Freiheit“.

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