Leerstand

Die Leere aus der Coronakrise

Viele Händler haben ihre Geschäfte wegen Corona für immer geschlossen. Knapp zehn Prozent der Flächen stehen leer, zeigt eine neue Studie – mancherorts sind die Werte alarmierend.

Wien. Wer gelegentlich in der Wiener Landstraße unterwegs ist, dem ist vielleicht schon aufgefallen, dass seit dem vergangenen Jahr besonders viele Geschäftslokale leer stehen. Zwar liegt die Leerstandsquote mit 8,5 Prozent knapp unter dem Österreich-Schnitt, jedoch stehen in der Einkaufsstraße fast doppelt so viele Geschäftsflächen leer wie noch vor zwei Jahren. Vor allem viele eigentümergeführte Geschäfte hätten wegen ausbleibender Umsätze während der Coronakrise das Handtuch geworfen, erzählt Marktanalyst Hannes Lindner. Gleichzeitig befindet sich die Landstraße augenscheinlich in einem Umbruch. „Neue Händler werden sich ansiedeln“, sagt Lindner. „Es wird hier wohl vieles teurer werden.“

Knapp 30 Prozent stehen leer

Die Wiener Landstraße steht symptomatisch für eine österreichweite Entwicklung in den Städten. Tausende Geschäfte mussten in den vergangenen zwei Jahren zusperren. Vielfach stehen die Geschäftsflächen nun leer, wie Lindner in der am Freitag präsentierten Analyse seiner Beratungsfirma Standort + Markt aufzeigt. Lag die Leerstandsrate von Verkaufsflächen vor zwei Jahren noch bei 7,3 Prozent, sprang sie in den vergangenen beiden Pandemiejahren auf neun Prozent – ein allmählich alarmierender Wert, sagt der Experte. Dass nicht noch mehr Geschäfte zugesperrt hätten, sei vor allem den großzügigen Coronahilfen zu verdanken, die Entwicklung gebe jedenfalls Grund zur Sorge.

Vor allem Kleinstädte haben mit Leerstandsraten jenseits der 20 Prozent zu kämpfen. Größtes Sorgenkind ist Wiener Neustadt mit einer Leerstandsquote von 29,5 Prozent – doppelt so hoch wie noch 2018. Genauso macht sich in Städten, die stark vom Tourismus leben, das Ausbleiben vieler Gäste bemerkbar. Der Leerstand ist auch hier vergleichsweise besonders stark nach oben geschnellt.

Dazu kommt, dass knapp 40 Prozent aller leer stehenden Flächen seit über drei Jahren nicht mehr genutzt werden. „Wir sehen hier durchaus die Gefahr, dass sich das zu einem strukturellen Problem auswächst“, so Lindner.

Die gute Nachricht: Knapp ein Drittel aller Leerstände wird aktuell umgebaut. Es ist also davon auszugehen, dass die Flächen in absehbarer Zeit wieder genutzt werden, wenngleich oft in anderer Funktion– etwa als Büroflächen oder Arztpraxen. Immer öfter entstehen in ehemaligen Geschäftslokalen sogenannte City-Hubs, um Lieferzeiten im Onlinehandel zu verkürzen.

Anpassung an höhere Preise

Der Rückgang der Handelsflächen sei ein stiller Zeuge der veränderten Konsumgewohnheiten, sagt Handelsverband-Chef Rainer Will. Für die Branche könnte es aber noch schlimmer kommen. „79 Prozent spüren bereits, dass die Preise in den vergangenen Monaten stark gestiegen sind“, verweist Will auf jüngst erhobene Zahlen des Handelsverbands. 14 Prozent hätten sich demnach an die steigende Inflation angepasst, indem sie sich beim Einkaufen ausschließlich auf lebensnotwendige Güter beschränken. Vor der Pandemie waren dies noch zehn Prozent.

Trotz der kürzlich aufgehobenen Coronamaßnahmen ist die Stimmung bei vielen Händlern im Keller. So schnell dürfte sich diese auch nicht aufhellen, prognostiziert Marktanalyst Lindner. „Durch die hohen Energiepreise werden wir auch einen Mobilitätsschock erleben. Bei diesen Spritpreisen werden es sich die Menschen genau überlegen, zum Einkaufen in die Stadt oder ins Einkaufscenter am Stadtrand zu fahren.“ Sollten die Energiekosten langfristig hoch bleiben, würde das vor allem für kleinere Einkaufszentren in der Peripherie den nächsten Dolchstoß bedeuten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2022)

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