Tirol

Ingrid Felipe: Abschied der "Nachhaltigkeitsaktivistin"

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Nach zehn Jahren an vorderster Front kündigt die Tiroler Grünen-Frontfrau Ingrid Felipe an, bei der Landtagswahl 2023 nicht mehr anzutreten. Sei bleibe bis zum Ende der Legislaturperiode aber im Amt.

Die grüne Tiroler Verkehrslandesrätin und Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) wird bei der im Jahr 2023 anstehenden Landtagswahl nicht mehr als Spitzenkandidatin antreten. Dies teilten die Grünen nach einer Gremiensitzung Freitagabend in einer Aussendung mit. Felipe werde aber "bis zum Ende der Legislaturperiode weiterhin ihr Amt und ihre Rolle ausführen", hieß es. Wer die Spitzenkandidatur übernehmen wird, ließ die Partei noch offen.

Landessprecher Christian Altenweisl meinte, dass durch diese Vorgehensweise die Grünen "in eine optimale Ausgangslage für die Wahl" gebracht würden. "Denn mit dem neuen Wahlmodus und ein Jahr vor der planmäßigen Landtagswahl können wir nun in Ruhe bis zur Landesversammlung im Juni die neue Spitze wählen und am Zukunftsprogramm für die Tiroler*innen feilen", gab er als Zeitplan aus. Die Arbeit in der schwarz-grünen Landesregierung sah der Landessprecher "von der Entscheidung unberührt". Felipe ist seit 2013 und damit seit Bestehen der Koalition mit der ÖVP Stellvertreterin von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).

„Entscheidung war letztlich meine persönliche“ 

"Die Entscheidung war letztlich meine persönliche", sagte Felipe am Rande der digitalen Sitzung des grünen Landesausschusses. Es habe sich einerseits um eine "strategische" Abwägung gehandelt, was "die Organisation" betrifft - und andererseits habe es die "persönliche Komponente" gegeben. "Nach zehn Jahren ist es auch einmal Zeit, dass andere Menschen mit neuen Ideen nach vorne treten", so Felipe. Dies sei in fast jeder Managementposition so. Den Rückhalt in der Partei habe sie jedenfalls nach wie vor gespürt: "Viele haben gesagt: 'Mach weiter'." Natürlich habe es aber auch die ein oder andere kritische Stimme gegeben, dies sei völlig normal.

Dass sie bis zur Wahl als Landeshauptmannstellvertreterin weitermacht, sei einhellig begrüßt worden, erklärte die grüne Frontfrau. Eine Wunschkandidatin oder einen Wunschkandidaten für die Spitzenkandidatur wollte sie nicht nennen: "Das wäre eine Unart". Sie sei aber jedenfalls dafür - um die Breite der Partei abzudecken - dass es, wie mittlerweile statutarisch möglich, eine Doppelspitze wird. Die Chancen auf eine Neuauflage von Schwarz-Grün ohne sie wollte Felipe zwar nicht bewerten, die Karten würden aber sicher "ganz neu gemischt". Der Landespolitik stünden jedenfalls spannende Zeiten bevor. Nach der Wahl will sich die 43-Jährige selbstständig machen - und zwar im Beratungsbereich. Die "Prozesse, wie man in Verhandlungen zu einem guten Ergebnis kommt" - dies wolle sie Klienten weitergeben.

Platter sei von Felipe persönlich über ihre Entscheidung informiert worden, sagte er in einer Aussendung. "Seit zehn Jahren ist sie die verlässliche Partnerin innerhalb der schwarz-grünen Koalition und das bleibt bis zum Ende der Legislaturperiode so", hielt er fest. "Gerade die Folgen des Ukraine-Krieges erfordern diese bewährte Stabilität und einen Fokus auf die Unterbringung europäischer Kriegsflüchtlinge und Maßnahmen gegen die wirtschaftlichen Folgen und die Teuerungswelle", so der Landeschef.

Suche nach neuer Spitze

Bis bei den Grünen feststehen wird, wer für sie an der Spitze ins Rennen geht, wird es Mitte Juni sein. Bei einer mehrtägigen "Digital-Online-Wahl" im Rahmen einer Landesversammlung können alle Mitglieder mitbestimmen. Bewerbungen müssen bis 15. April abgegeben werden. Im Herbst wird es dann eine weitere Landesversammlung geben, bei der die übrigen Listenplätze gewählt werden.

Die Option der Doppelspitze war zuletzt mehrmals von den Grünen ins Spiel gebracht worden. Klubobmann Gebi Mair verwies etwa darauf, dass dies eine Möglichkeit sei, aber "kein Zwang". Mair, der auch als möglicher Kandidat gehandelt wird, wollte sich ob seines Interesses nicht in die Karten schauen lassen. Auch die grüne Soziallandesrätin Gabriele Fischer, der ehemalige Generalsekretär Thimo Fiesel, Nationalratsabgeordnete Barbara Neßler oder LAbg. Georg Kaltschmid könnten sich bewerben.

Bis dahin wird Felipe jedenfalls ein Teil der Landes-Führungsspitze bleiben: "Der Landesausschuss war sich einig, dass Ingrid Felipe als Aktivposten in der schwarz-grünen Koalition weiterhin mit Volldampf für die Tiroler*innen arbeiten soll", sagte Altenweisl. Er lobte Felipe für ihre "herausragende Führungsarbeit". Sie habe die Grünen "von der Oppositionspartei zu einer gestaltenden Kraft im Land geformt und seither in der Landesregierung unzählige grüne Meilensteine gesetzt: vom Lech bis zur Isel, vom Bahnhof Lienz bis zum Naturpark Kaunergrat, von den Kalkkögeln bis zum Tirolticket, von den Notwehrmaßnahmen im Transit bis zum Lufthunderter auf der A12".

Politische Zielgerade: Zehn Jahre Ingrid Felipe

Als "Nachhaltigkeitsaktivistin" hatte sie sich einst bezeichnet, nachhaltig ist nun ihr angekündigter politischer Abgang mit der Landtagswahl im kommenden Jahr. Ingrid Felipe befindet sich nunmehr auf der finalen politischen Zielgeraden einer dann zehn Jahre andauernden, turbulenten Karriere in der vordersten Reihe. Der vorweggenommene Abgang einer niemals unumstrittenen Konsenspolitikerin.

Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit und Konsensfähigkeit - diese Attribute wurden der 43-Jährigen vom schwarzen Koalitionspartner stets zugedacht, nicht immer zum Wohlwollen von ideologischer gefärbten Teilen der grünen Basis. Seit dem Jahr 2013 trug sie das seinerzeitige Pilotprojekt namens "Schwarz-Grün" in Tirol wesentlich mit. Die Chemie mit ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter stimmte vom ersten Tag an. Mit kaum jemand anderem an der grünen Regierungsspitze konnten sich Platter und die seinen vorstellen, so weitgehend unaufgeregt zu regieren.

Ideologische Dünkel und Justament-Standpunkte waren der studierten, in Rum bei Innsbruck lebenden Betriebswirtin fremd. Stets der "Realo-Fraktion" der Grünen zugehörig, setzte sie auf Sachpolitik - garniert mit einer zu viel Intellektualität abholden Leutseligkeit und einer unkomplizierten politischen Wesensart, die sie den hiesigen schwarzen Granden nicht wesensfremd machte. Der "Kulturschock", der bei manch sehr konservativen Schwarzen im Falle von Grün-Politikern eintritt - er blieb bei Felipe stets aus.

Lange ging das gut. Seit 2013 navigierten Platter/Felipe das Schiff durch meist ruhige See. Der große schwarz-grüne inhaltliche Wurf blieb zwar großteils aus, aber beide beackerten fleißig und drehten an Stellschrauben. Felipe arbeitete mit gehörigem Eifer und Sachkenntnis, etwa in Verkehrs- und Umweltfragen, die ihr stets spürbar ein Anliegen blieben.

Kurzer Ausflug in die Bundespolitik

Zu Wahlkampfzeiten konnte Felipe aber durchaus auch auf die Pauke hauen - so viel Politikerin war sie dann doch. Als "Umweltfighterin" war sie im Zuge der Landtagswahl 2018 durch den Wahlkampf getourt und hatte versucht, mit Grünen Kernbotschaften die eigene Klientel bei Laune zu halten und bei jeder Gelegenheit die Erfolge der eigenen Regierungstätigkeit hoch zu halten. Es gelang trotz eines leichten Minus - und das in extrem schwieriger Zeit. Kurz zuvor waren die Bundes-Grünen aus dem Nationalrat geflogen - und Felipe als Kurzzeit-Bundessprecherin mitten im Orkan. Es blieb ein kurzer, glückloser Ausflug in die Bundespolitik. Schnell hieß es: Zurück nach Tirol, in das vertraute (koalitionäre) Umfeld.

Doch die Jahre zogen ins Land, und auch Neues und Spannendes wie Schwarz-Grün wird irgendwann einmal zur leicht angestaubten Gewohnheit. Corona kam erschwerend und kräftezehrend hinzu, zudem die "Luder"-Causa rund um ÖVP-LHStv. Josef Geisler (so benannte er eine WWF-Vertreterin), die Felipe skurrilerweise fast ein wenig mehr in politische Bedrängnis brachte als ihren Kollegen.

Zur Person

Nach zehn Jahren an der Spitze dürften auch die mitunter alltäglichen Polit-Strapazen und die Lust auf Neues eine Rolle bei ihrer Entscheidung gespielt haben. Doch zur Wahrheit gehört wohl auch: Die innerparteiliche Sehnsucht nach einem Dacapo als Spitzenkandidatin und als Frontfrau in der Regierung war endenwollend. Obwohl Felipe, hätte sie es darauf angelegt, wohl immer noch gute Chancen auf eine innerparteiliche Mehrheit gehabt hätte. Die Landes-Grünen wollen sich neu aufstellen und auch für den Fall rüsten, dass die ÖVP nach der Wahl den schwarz-grünen Weg für beendet erklärt - und das "Konsensmodell" Felipe beendet wird.Ingrid Felipe, geboren am 22. August 1978 in Hall in Tirol, geschieden, Mutter eines Sohns. Studierte Betriebswirtin. Tätigkeit unter anderem im Tiroler Handballverband sowie als Büromanagerin eines Architekturbüros. Von 2005-2010 Finanzreferentin der Tiroler Grünen. Von 2009 bis 2013 Landessprecherin, ab Mai 2012 Landtagsabgeordnete, seit Mai 2013 Landeshauptmann-Stellvertreterin und Landesrätin u.a. für Umwelt und Verkehr.

Im Juni 2017 Wahl zur Bundessprecherin der Grünen. Vier Monate darauf legte sie diese Funktion zurück.

(APA)

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