Am Herd

Nennen wir das Böse doch böse

Wir meinen gern, dass es zum Streiten zwei braucht, nicht, weil es stimmt, sondern weil es das Leben einfacher macht. Es ermöglicht uns diese gemütliche Distanz, in der wir keine Stellung beziehen müssen und wir keine Schuld haben.

Es ist Jahre her, so viele Jahre, dass die Kinder noch klein waren und wir in Caorle Urlaub machten. Damals kam es uns vor wie das Paradies. Ein Paradies mit seltsamen Gästen freilich. Eines Nachmittags, wir kamen wohl gerade vom Strand zurück, holten wir uns ein Eis, wir saßen auf Plastikstühlen und schleckten und dann sagte der Mann am Nachbartisch diesen Satz: „Zum Streiten gehören immer noch zwei.“ Es ging um die Ermordung der Juden.

Ich habe damals nichts gesagt, weil ich eigentlich nie etwas sage, aber schon während ich nichts sagte, dachte ich an Eva, eine Freundin der Familie, die schlagfertiger ist als ich und wehrhafter, – und es lässt sich schwer sagen, ob das an ihrer Persönlichkeit liegt oder an der Tatsache, dass sie als Jüdin mit schwarzen Schneckerln und dunklem Teint im antisemitischen und rassistischen Nachkriegswien aufgewachsen ist. Vielleicht beides. Vielleicht ist sie wehrhafter. Und sie musste es sein.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.