Stilkritik

Macron im Hoodie - die missglückte Nachahmung Selenskijs?

Emmanuel Macron trägt Kapuzenpullover im Goldenen Salon des Élysée-Palastes.
Emmanuel Macron trägt Kapuzenpullover im Goldenen Salon des Élysée-Palastes.Soazig de la Moissonnière/Présidence de la République/Instagram
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Scholz trägt Kaschmirpullis, Selenskij khakifarbene Zipp-Jacken und Macron neuerdings einen Kapuzenpullover. Über den Stilwechsel der Politik in Krisenzeiten und Wahlkämpfen.

Was im Jahr 2019 noch rebellischen Politikern von Kleinparteien vorbehalten war - vielleicht klingelt es beim Namen Nico Semsrott - scheint mittlerweile bei großen Staatschefs angekommen zu sein. Und das, obwohl vor zwei Jahren die fehlende Krawatte von Vize-Kanzler Kogler bei seiner Angelobung noch für Aufregung sorgte. Die Rede ist vom Pullover - mit wie ohne Kapuze. Und während das Kleidungsstück an sich nicht unaufgeregter sein könnte, wirkt es an Politikern oftmals befremdlich.

Gut einen Monat ist es nun her, dass der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Journalistinnen und Journalisten im Schlabberpulli gegenüber stand. Allesamt waren sie damals auf dem Weg nach Washington. Anlass war ein Gespräch über die Ukraine und Russland mit US-Präsident Joe Biden - noch vor der russischen Invasion. Der Pullover (anscheinend aus Kaschmir) sorgte damals für jede Menge Tweets und schließlich auch Schlagzeilen. Ein paar Sympathiepunkte für den „nahbaren Politiker“ gab es obendrauf. 

Olaf Schulz bei einem Hintergrundgespräch am Weg nach Washington.
Olaf Schulz bei einem Hintergrundgespräch am Weg nach Washington.(c) REUTERS (ANDREAS RINKE)

Missglückte Nachahmung

Sein französischer Kollege im Kapuzenpullover erntete ebenfalls gemischte Reaktionen. Erst kürzlich tauchten Fotos von Emmanuel Macron auf, die ihn fast schon juvenil mit Dreitagebart und Hoodie zeigten. Wobei „auftauchen“ hier ganz offenkundig das falsche Wort ist, denn die Fotos knipste niemand anderes als die Haus- und Hoffotografin Soazig de la Moissonnière, die schon 2016 Macrons Wahlkampfkampagne mitkonzipierte. Spekulationen, der Pullover sei dem Luxushaus Balenciaga entsprungen, konnten übrigens getrost widerlegt werden. Ein Pullover teurer als so manche Monatsmiete in Paris hätte auch gewiss für noch mehr Kritik gesorgt. Nein, Macrons Hoodie ziert das Logo der französischen Luftwaffe „CPA 10“, die Abkürzung steht für „Commando Parachutiste de l'Air no 10“.

Orientiert hat sich Macron wohl eher nicht an Scholz, dem ein phlegmatischer Umgang mit dem Krieg alias „Helme statt Waffen“ vorgeworfen wurde. Die Schlabber-Sympathiepunkte vom früheren Langstreckenflug sind da längst vergessen. Vorbild scheint viel mehr der ukrainische Kollege zu sein. Spätestens seit dieser am Tag des russischen Einmarschs sich seiner Anzüge entledigte und dem Volk klarmachte, er würde bleiben, gebührt dem Staatsoberhaupt Heldenstatus. Wolodymyr Selenskij sieht man seit jeher in khakifarbenen Shirts und Sweater mit Zipp.

Und während der Stilwechsel Selenskijs angesichts der dramatischen Lage, des Krieges in der Ukraine als logische Schlussfolgerung und kämpferisches Symbol erscheint, wirkt der schwarze Hoodie des französischen Kollegen im Goldenen Salon des Élysée-Palastes (ganz ohne Bedarf eines Bunkers) so deplatziert wie ostentativ. Insbesondere angesichts der im April anstehenden Präsidentschaftswahl.

Lässig und leger

Versuche, möglichst nahbar und normal zu wirken, funktionieren eben nicht immer. Das mussten auch schon Politiker mit Gummistiefel und Funktionsjacken im Hochwassereinsatz schmerzlich feststellen, Viktor Klima etwa. Aber auch abseits durchschaubarer medialen Inszenierungen gibt es in der Politik einen Trend hin zu legerer Kleidung. Da ist die Bundesparteivorsitzende der SPÖ Pamela Rendi-Wagner, die immer wieder zu Sneaker statt Stilettos greift, und der kürzlich zurück getretene Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, der Sneaker eben „wirklich mag“. Scheint als müssten sich Politiker satirischer Parteien nun langsam anderer Mittel bedienen, die rebellische Energie von Pullover und Sneaker schwindet jedenfalls.

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