Brasilien

Die versteckte Entwaldung im Amazonas-Regenwald

Luftaufnahme Dschungel und Fluß Iguacu, Regenwald, Bundesstaat Parana, Brasilien / aerial of the brazilian rain-forest and river Iguacu at the district of Parana, Brazil (Heinz Tschanz-Hofmann)
Luftaufnahme Dschungel und Fluß Iguacu, Regenwald, Bundesstaat Parana, Brasilien / aerial of the brazilian rain-forest and river Iguacu at the district of Parana, Brazil (Heinz Tschanz-Hofmann)(c) imago images/Heinz Tschanz-Hofma (Heinz Tschanz-Hofmann via www.im)
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Die EU-Umweltminister besprechen am Donnerstag, wie der brasilianische Regenwald besser geschützt werden soll. Greenpeace deckt unterdessen auf, dass die Entwaldung weitergeht - versteckt.

Zu einem Gutteil ist es eine innereuropäische Angelegenheit, auch wenn es ein Thema in Südamerika betrifft. Es geht um Soja, das an Kühe in europäischen Ställen verfüttert wird. Am Donnerstag befassten sich die EU-Umweltminister mit dem Entwurf einer EU-Verordnung, mit der die Entwaldung des Tausende Kilometer entfernten Regenwaldes in Brasilien gebremst und gestoppt werden soll.

Der Entwurf zielt darauf ab, dass die Lebensmittelkonzerne eine „Sorgfaltspflicht“ treffen soll, im Zuge derer nachzuweisen ist, dass die Produkte aus Regenwald-Gebieten von Flächen stammen, die nicht nach 2020 von Wald in Acker verwandelt worden sind.

Und es ist der Nachweis zu führen, dass die Gesetze des Landes eingehalten worden sind. Außerdem ist in der derzeitigen Version vorgesehen, die Herkunftsregionen offenzulegen, mittels geolocation.

Betreffen soll dies Soja, Rinder, Palmöl, Kakao, Kaffee oder Holz, um sicherzustellen, dass „in der EU keine Produkte auf den Markt kommen, die mit Entwaldung in Verbindung gebracht werden“, heißt es. Die Veröffentlichung der Verordnungs-Pläne hat ein außergewöhnliches Echo hervorgerufen. An dem üblichen Konsultationsverfahren haben nicht weniger als 1,2 Millionen Einzelpersonen und Organisationen teilgenommen.

„Good farmers in bad areas“

Wie engmaschig diese Regelungen und die Möglichkeit zur Überprüfung sein werden, steht noch nicht fest – eine abschließende Textierung der Verordnung gibt es noch nicht, die wird von den EU-Ministern gemacht. Wohl aber haben Lobby-Gruppen der betroffenen Industrie Tuchfühlung mit der Kommission aufgenommen. In einer Stellungnahme des Lebensmittel-Konzerns Cargill (im Zuge des Konsultationsverfahrens der EU) heißt es zwar, dass der Vorstoß der EU begrüßt werde, in einigen wenigen Absätzen wird dann aber ausgeführt, dass die Initiative doch nicht so gut sei – denn sinnvoll, so die Industrie, seien derartige Regelungen nur als globaler Ansatz.

Die Argumentationslinie ist so gut wie deckungsgleich mit einem Brief, den drei Interessensverbände (Futter, Cerealien, Pflanzenöle) noch während der laufenden Klimakonferenz in Glasgow (COP 26) im vorigen November an alle EU-Kommissare geschickt und eine Woche später als gekürzte Presseaussendung veröffentlicht haben. Darin heißt es, dass die Verordnung ein „falscher Weg“ („wrong approach“) sei, dass für Europa ein separater Vermarktungsweg eingeführt werden müsse, mit Verteuerungen zu rechnen sei und außerdem schlecht für Bauern - „good farmers in bad areas“ blieben auf der Strecke, heißt es.

Den Originalbrief hat „Unearthed“ veröffentlicht, ein Redaktionsbüro, das von „Greenpeace“ finanziert wird. In dem „Unearthed“-Bericht wird insbesondere dem Argument der Industrie widersprochen, dass die EU-Beschränkung kleinbäuerliche Strukturen gefährde. Das Gegenteil sei der Fall, heißt es in dem Bericht, dies beteuerten etwa Organisationen westafrikanischer Kakao-Bauern.

Soja statt Mais, Mais statt Wald

In einem weiteren Bericht hat „Unearthed“ ein nicht unwesentliches Schlupfloch entdeckt – ganz im Gegensatz zu Bekenntnissen, auf Soja zu verzichten, das auf gerodetem Wald geerntet worden sei.

Für den Persilschein, dass der Soja-Acker nicht direkt auf gerodetem Wald liegt, ist nämlich nur die Situation unmittelbar vor Start des Soja-Anbaus ausschlaggebend. Als unbedenklich deklariertes Soja werde aber auch auf Gebieten geerntet, auf denen zuvor Rinder auf gerodetem Land geweidet haben oder Baumwolle oder Mais angebaut wurden. Diese Flächen werden an Soja-Bauern verkauft, während die Grundbesitzer weiterziehen, wieder Regenwald zerstören – und ihre ursprünglichen Aktivitäten – Baumwolle, Mais, Rinder – wieder aufnehmen. Die neuen Flächen kosten außerdem weniger. Das sei eine „versteckte Entwaldung“.

In den Industrie-Statements wird wiederholt, wie wichtig es sei, Maßnahmen gegen Entwaldung zu ergreifen. Das beteuert die Branche bereits seit Jahren und hat sich sogar dazu selbst verpflichtet, bis 2020 „Net-zero-Deforestation“ zu erreichen. Allerdings hat der Cargill-CEO im Juni 2019 einräumen müssen: „Trotz unserer gemeinsamen Anstrengungen wird die Industrie das Ziel, 2020 Entwaldung zu eliminieren, verfehlen.“

Die Kommission hat in der Verordnung bisher keine substanziellen Änderungen eingearbeitet, welche die Regelungen verwässern. Nun liegt das Thema bei den EU-Ministern, wobei in der letzten Runde vor allem die Landwirtschaftsminister entscheidend sein werden. Luka Meus, Waldexperte von Greenpeace in Österreich wirft den Sojahändlern beinhartes Lobbying vor, „um hinter verschlossenen Türen zu versuchen, die notwendigen Waldschutzmaßnahmen zu schwächen. Sie fordern Schlupflöcher, die es ermöglichen, Soja aus Abolzungs-Gebieten mit sauberem Soja zu mischen, wodurch das neue Gesetz bedeutungslos würde.“ Meus fordert, dass die EU-Minister „standhaft bleiben“.

>> Cargil-Statement im Zuge der EU-Konsultation 2019

>> Versprechen des „ConsumerGoodForums“, bis 2020 Net-Zero-Deforestation zu erreichen

>> Cargill’s Ankündigung, dieses Ziel nicht erreichen zu können

>> Presseaussendung von Fediol, fefac und coceral

>> Report von „Unearthed“

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