Lokalkritik

Testessen im &Flora

&Flora
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Nicht nur mit Ottolenghi per Du: Im Hotelrestaurant &Flora tanzt rohes Protein mit Salzzitrone und Granatapfel.

Und hier kommt schon das nächste Lokal, in dem man den schönen Satz „Darf ich dir das Sie anbieten?“ ausprobieren kann: „Gilbert &Flora stellen das Persönliche in den Vordergrund und sind mit Gästen, Partnern & Freunden auf Du und Du. Daher möchte ich Dir gern das Du anbieten“, schreibt der Direktor des familiengeführten kleinen Hotels Gilbert hinter dem Museumsquartier auf die Per-Sie-Reservierungsanfrage.


Du, Gilbert, fesch bist! Steht dir gut, das Blitzblau der Fliesen da, der gelbe Samt dort, die abgerundeten Kanten überall! Schaust irgendwie, warte, nach BWM-Architekten aus, ah, tatsächlich, die haben dich eingekleidet! Wirklich, dein Name ist ein Anagramm aus Spittelberg? Und was planst du noch mit dem „pest“, das übrig bleibt? Dass dein Restaurant &Flora im Namen auch ein bisserl was auslässt, hast du dir jedenfalls fein ausgedacht.

Hoher Frauenanteil

Du, Gilbert, sagt dir Ottolenghi was? Die Speisekarte liest sich nämlich an manchen Stellen so . . . Eine Burrata mit Blutorangen und Korianderkörnern wird jedenfalls auch im Nopi in London serviert. Ja, ist eh verständlich, dass sich deine Köchin ein bisserl an ihm orientiert, der hat ja wirklich was drauf. Super übrigens, dass du Parvin Razavi eine einsehbare Küche geschenkt hast, die Stimmung in ihrem Team wirkt echt erfrischend positiv – muss wohl am hohen Frauenanteil liegen! Gilbert, du, macht’s dir was aus, wenn wir jetzt zu ihr rüberwechseln? Baba, bis dann!

&Flora

Parvin Razavi, die ihren Blog thx4cooking irgendwann einfach vom Netz genommen hat, weil sie sich aufs Profikochen konzentrieren wollte, hatte zuletzt im Dogenhof gearbeitet, davor unter anderem im Künstlerhaus und im G’schupften Ferdl. Ihre persischen Wurzeln lässt sie nicht mit Kalkül in die &Flora-Gerichte einfließen, aber natürlich seien Einflüsse aus dem Iran spürbar, sagt sie. Die Gerichte sind, wen wundert’s, zum „Sharen“ gedacht: bei den kalten Vor­speisen (5 bis 12 Euro) etwa Labneh mit Rübenvielfalt und Granatapfel-Salzzitronen-Marinade, die Molke aus der Labneh-Herstellung kommt bei roher Lachsforelle mit Shiso-Öl und Saiblingskaviar zum Einsatz. Das „Karottentatar“, vielschichtig abgeschmeckt, ist ein Raspelsalat, wie ein Tatar im Ring angerichtet. Gemüse kommt übrigens unter anderem vom Frauenduo Dirndln am Feld.

Viel zu gut, um es zu ­sharen, ist das Beef Tatar mit Kapernmayonnaise und Radieschen, dasselbe gilt für den hervorragenden Miso-Emmer-Risotto mit dem Käse Belper Knolle. Eindeutiger Dessertfavorit: die pochierte Birne mit Creme double, Baiser, Erdmandeln und Salzzitronenkaramell. Wir sehen uns, &Flora, liebe Grüße auch an Gilbert!

&Flora im Hotel Gilbert

Breite Gasse 9, 1070 Wien, Tel.: +43/(0)1/523 13 45-100, Restaurant: Mi bis So: 8–11.30, 17–22 Uhr.

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