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Der jüngste Stunt der „Jackass“-Truppe: Würdelos altern

Jackass Forever
Jackass ForeverParamount Pictures
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Die einstigen Skater-Buben von MTV kennen ihren Nostalgie-Wert - und die befreiende Wirkung ihrer Selbstverletzungs-Eseleien. In „Jackass Forever“ konzentrieren sie sich vor allem auf ihre Geschlechtsorgane.

Kann man sagen, dass Menschen, die „Jackass“ (englisch für Esel) nicht lustig finden, ein Humorproblem haben? Ja. Die knochenbrecherischen Stunts von Ringführer Johnny Knoxville und seiner sympathisch infantilen Clique waren schon in ihrer von 2000 bis 2002 auf dem damals noch zeitgeistrelevanten Sender MTV ausgestrahlten Fernsehserie viel mehr als der x-te Untergang der Unterhaltungskultur, den konservative Kritiker darin lesen wollten. „Jackass“ vermengte die selbst stilisierte schmerzunempfindliche Körperverschwendung der Skate- und Punk-Subkulturen mit anarchischen bis genialen Neuinszenierungen klassischer Slapstick-Szenen und machte daraus Reality-TV: Dieses damals noch neue Fernseh-Genre wurde von MTV massiv popularisiert und wird mittlerweile auch für Donald Trumps politische Karriere verantwortlich gemacht.

Die genuin US-amerikanische Idiotie, die von Knoxville und Kumpanen abgefeiert wird, ist aber sehr verschieden von jener des Ex-Präsidenten: In „Jackass“ führen geistige Beschränktheit und Umnachtung nicht zu toxischem Verhalten, sondern höchstens dazu, dass sich jemand seinen durch ein Loch hängenden Hodensack von zwei vollautomatisierten Miniatur-Boxhandschuhen weichklopfen lässt, während die anderen Burschen anfeuern und applaudieren.

Fast meint man in dieser Endlos-Schleife aus mutwilliger Selbstverletzung und Ekelgrenzüberschreitung die Initiationsrituale einer utopischen Gemeinschaft von liebenswerten Idioten zu erkennen. Auf die Gefahr hin, in diese Abfolge von Mutproben zu viel hineinzulesen, tut es not herauszustreichen, wie gut das Format auch auf der Leinwand funktioniert. Das war in drei vorherigen „Jackass“-Filmen so, das gilt auch für „Jackass Forever“.Es ist eine Tradition der Kinoversionen, die formästhetische Zweckmäßigkeit der Sketches mit genuin filmischen Sequenzen zu umklammern. Die jüngste Eselei startet als Parodie auf das japanische Genre der „Kaijū eiga“, Filmen mit Großmonstern wie Godzilla, die ganze Städte zertrampeln. Das Ungeheuer, das den Film eröffnet, ist schlauchförmig und wuchtet sich mit zwei sackartigen „Beinen“ durch die Gegend.

Ein grüner und ein zerquetschter Penis

Erst ein plötzlich hineinmontierter Hinter-den-Kulissen-Moment zeigt die ganze Wahrheit: Die Kreatur wird dargestellt von Chris Pontius' Penis, der, grün angemalt und marionettengleich mit Strippen bewegt, durch eine Miniaturstadt wütet. Auch wenn die folgende Sketch- und Stuntparade so schmucklos aussieht wie aneinander montierte TV-Episoden von „Jackass“, so bleibt die Fokussierung auf das männliche Geschlechtsorgan, das nicht nur zwischen Plexiglas-Scheiben gequetscht oder mit Hunderten Bienen bestückt, sondern auch in einer für einen US-Studiofilm ungeheuerlichen Häufigkeit leinwandfüllend gefilmt wird.

Die Qualität der Einlagen ist naturgemäß schwankend: Der Moment, in dem sich die Protagonisten in einem stockfinsteren Raum mit (Plastik-)Schlangen, Mäusefallen, in Kopfhöhe aufgehängten Küchenpfannen und Reißnägeln in einer Nachstellung des Finales von „Das Schweigen der Lämmer“ wiederfinden, ist bester Schadenfreude-Humor. Wenn sich Rachel Wolfson, das einzig weibliche Mitglied der Truppe, von einem Skorpion in die Lippen stechen lässt und dabei diverse Schönheitsbehandlung-Schmähs über sich ergehen lassen muss, findet man den Witz nicht. Wolfson wird neben dem Rapper Jasper Dolphin und dem adipösen Zach Holmes als „Jackass“-Neuzugang eingeführt: Kündigt sich eine Staffelübergabe an eine jüngere Generation an?

Knoxville (zuweilen mit weißgrauem Haar zu sehen) und die alte Truppe sind schon um die 50, kennen aber erstens ihren eigenen Nostalgie-Wert und wissen zweitens, wie befreiend es wirkt, wenn ein Haufen von Ex-Skater-Buben würdelos altert. Irgendwann fällt Steve-O eine Zahnprothese aus dem Mund. Bevor er sie wieder einsetzt, meint er: „They're dropping like flies!“ Man kann nur schreien: „Jackass Forever!“

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