Strom

Teurer Strom ließ bei Verbund die Gewinne sprudeln

Clemens Fabry
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Trotz hoher Gewinne könne man Strom nicht billiger verkaufen. Kritik übt Verbund-Chef Strugl an langsamen Verfahren. Mit dem bisherigen Tempo gehe sich die Energiewende bis 2030 nicht aus.

Wien. Nichts sei wie immer, sagte Verbund-Chef Michael Strugl am Donnerstag: nicht das Marktumfeld, nicht das Konzernergebnis des Versorgers und auch nicht die Bilanzpressekonferenz, zu der der Verbund geladen hatte. Der Krieg in der Ukraine habe noch einmal ordentlich Unsicherheit in das ohnehin sehr schwierige Marktumfeld gebracht. Es gab eine Verknappung beim Gas, der Energiehunger ist im vergangenen Jahr stark gestiegen, das ambitionierte Ökologisierungsprogramm der EU hat CO2-Emissionen verteuert. Das alles habe auch ohne Krieg schon zu einem massiven Preisschub geführt und das Thema Versorgungssicherheit ins Zentrum politischer Debatten gerückt, sagte Strugl.

Was bedeutet all das für den Verbund? Eine nach Worten des Konzernvorstands „sehr positive Geschäftsentwicklung“. Dank der enorm gestiegenen Strom-Großhandelspreise verzeichnete der Verbund einen kräftigen Gewinnanstieg, im neuen Geschäftsjahr will man das Ergebnis noch einmal steigern. 2021 wuchs das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um 22,1 Prozent auf 1,579 Milliarden Euro, und der Nettogewinn kletterte um 38,3 Prozent auf 874 Millionen Euro. Entsprechend kräftig soll die Dividende angehoben werden, von 75 Cent je Aktie auf 1,05 Euro pro Anteilsschein.

2022 soll das Ebitda zwischen 2,6 Milliarden und 3,5 Milliarden Euro liegen, der Nettogewinn bei 1,4 bis zwei Milliarden Euro. Bezogen auf das um Einmaleffekte bereinigte Konzernergebnis 2022 von erwarteten 1,34 bis 1,94 Milliarden Euro sollen 45 bis 55 Prozent ausgeschüttet werden, für 2021 errechnen sich 45,7 Prozent.

Frage der Versorgungssicherheit

Aber: Laut Verbund-Chef Strugl zeigen die jüngsten Entwicklungen auf dem Energiemarkt auch, dass Europa alle Kräfte bündeln müsse, um von fossilen Energieimporten unabhängig zu werden. De

r Verbund selbst sei bereit, massiv in erneuerbare Energien zu investieren. Allerdings seien die Rahmenbedingungen in Österreich eher Verhinderer als Ermöglicher einer raschen Energiewende.

Mit Blick auf Genehmigungsverfahren sagte Strugl, dass bei Fotovoltaik zwischen der Flächensicherung und dem Netzanschluss vier bis sechs Jahre vergehen. Bei Windenergieprojekten rechne man mit acht bis neun Jahren. So gehe sich die Energiewende bis 2030 ganz einfach nicht aus, sagte Strugl. Zumal es auch an Investitionen ins Netz und in Speicher fehle. „Es gibt keine Energiewende ohne Netzwende“, so der Verbund-Chef.

Geringerer Preis nicht erlaubt

An die rund 530.000 Endkunden – dazu gehören Haushalte und Gewerbe – habe man die hohen Großhandelspreise noch nicht weitergegeben. Es gab keine Änderungskündigungen, so Strugl. Aber man habe bereits angekündigt, dass man die Preise weitergeben werde, und man müsse das ab Mai auch tun. Derzeit verdiene man an den Haushaltskunden jedoch nicht.

Auch wenn die Gasverstromung den Strompreis nach oben treibt, der Verbund aus erneuerbaren Energiequellen aber weit günstiger Strom produziert: Man dürfe den Strom gar nicht billiger verkaufen, sagte Strugl mit Verweis auf das Wettbewerbs- und Kartellrecht sowie mit Blick auf das Aktiengesetz. Durch die seit einigen Jahren auf Österreich beschränkte Stromhandelszone, die früher mit Deutschland gemeinsam bestand, seien die wettbewerbs- und kartellrechtlichen Sensitivitäten noch ausgeprägter geworden.

Um rechtskonform vorzugehen, müsse man eine marktbasierte Preisbildung vornehmen, damit man nicht gegenüber anderen Marktteilnehmern einen potenziellen Missbrauchstatbestand setze, erläuterte Strugl zum Diskriminierungsverbot. Im Fall von Kampfpreisen hätte man sofort eine Wettbewerbsklage am Hals.

Strugl erinnerte daran, dass der Verbund mehrheitlich der Republik gehört. Ein starkes Ergebnis, hohe Dividenden – das komme auch den Steuerzahlern zugute und gebe der Republik finanziellen Spielraum für Entlastungsmaßnahmen angesichts der hohen Energiekosten. Markteingriffe lehne er ab, sagte Strugl, vielmehr seien Maßnahmen wie Direktzuschüsse oder Transferzahlungen ein besserer Weg.

Cashflow sackte extrem ab

Die extrem hohen Strom-Großhandelspreise binden jedenfalls auch erhebliche Geldmittel des Konzerns. Grund sind Sicherheitsleistungen, die für offene Positionen bei Börse-Handelsgeschäften in Cash zu erlegen sind. Auch wenn man diese Beträge nach Abschluss der jeweiligen Deals zurückbekomme, seien enorme Liquiditätszahlungen zu leisten, sagte Finanzvorstand Peter Kollmann.

„Je höher die Strompreise steigen, umso mehr muss ich an der Börse hinterlegen. Es gibt Schwankungen von bis zu einer Milliarde Euro“, erklärte Kollmann. Der operative Cashflow sackte von 1,18 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 98 Millionen Euro im abgelaufenen Jahr ab, und der freie Cashflow nach Dividende rutschte von positiven 300 Millionen Euro auf 1,33 Milliarden Euro ins Minus. Zugleich stiegen die Nettoschulden auf 3,51 Milliarden Euro, nachdem sie 2020 von 2,26 Milliarden auf 1,88 Milliarden Euro gesunken waren. Grund dafür seien vor allem kurzfristige Fremdmittelaufnahmen, „wenn die Kontrakte auslaufen kommt das Geld zurück“. 

(luis)

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