Südukraine

Der Widerstand gegen die Besatzer in Cherson

Die Bürger der südukrainischen Stadt Cherson lassen sich von den russischen Besatzern nicht einschüchtern und halten weiterhin die ukrainische Fahne hoch. Damit haben die Moskauer Militärplaner nicht gerechnet.
Die Bürger der südukrainischen Stadt Cherson lassen sich von den russischen Besatzern nicht einschüchtern und halten weiterhin die ukrainische Fahne hoch. Damit haben die Moskauer Militärplaner nicht gerechnet. via REUTERS
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Russland hat im Süden der Ukraine Gebiete erobert. Doch wie geht es weiter? Cherson ist zum Symbol der zivilen Rebellion geworden: Die Bürger der Stadt beugen sich den Besatzern nicht und setzen ihre Proteste fort.

Cherson/Wien. Sechs Männer und eine Frau sitzen an einem großen Holztisch. Der Tisch steht im Gebäude der Gebietsverwaltung der südukrainischen Stadt Cherson, das in der Hand des russischen Militärs ist. Eine Kamera filmt. Die Runde bezeichnet sich als „Rettungskomitee für Frieden und Ordnung“. Der Vorsitzende, ein lokaler prorussischer Blogger, sucht angestrengt nach Worten. Dann liest er von einem Zettel ab.

Er spricht von Machtvakuum, der Zusammenarbeit mit Russland und der Notwendigkeit, „unsere Positionen der Bevölkerung von Cherson und der ganzen Region“ näherzubringen. Es ist der jüngste Versuch der russischen Besatzer, ihrer völkerrechtswidrigen Invasion in die Ukraine einen legitimen Anstrich zu geben. Der russische Propagandasender RT wird die eigenwillige Inszenierung später als Auftritt der „neuen Macht“ in Cherson präsentieren.

Nach der Eroberung durch russisches Militär soll in der südukrainischen Region also eine Kreml-treue politische Struktur geschaffen werden. Das Projekt, für das ein paar ortsbekannte prorussische Politiker und Aktivisten engagiert worden sind, trägt die Handschrift des russischen Geheimdiensts. Doch das Ganze ist eine groteske, einfallslose und schlaffe Show. Es ist dasselbe Skript, das die Emissäre des Kreml vor acht Jahren in Donezk und Luhansk benutzt haben, um dort einen prorussischen „Volksaufstand“ anzustacheln. Doch die Südukraine des Jahres 2022 ist nicht der Donbass 2014. Die russische Armee mag das Gebiet militärisch kontrollieren. Die politische Kontrolle der Region hat sie (noch) nicht.

Bürgermeister freigelassen

Auch andere Versuche, im besetzten Territorium moskaufreundliche Politiker zu installieren, waren bisher mäßig erfolgreich. In der Kleinstadt Kachowka erzwangen Bürger die Freilassung ihres Bürgermeisters, der zuvor festgenommen worden war. Breiten Unmut erregte auch die tagelange Entführung des jungen Ortschefs von Melitopol, Iwan Fjodorow.

Mit der Befreiung Fjodorows (er wurde diese Woche gegen neun russische Soldaten eingetauscht) gelang Kiew ein PR-Coup. „Wir lassen unsere Leute nicht im Stich“, versicherte der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskij, dem freigelassenen Fjodorow am Telefon. Das ist ein Ausspruch, den normalerweise russisch-patriotische Kreise bemühen.
Dennoch ist im besetzten Cherson dieser Tage die Frühlingsluft von Unklarheit getrübt. Was erwartet die Region? Wann werden endlich wieder Güter in die Stadt gelassen? Die humanitäre Lage ist sehr angespannt. Kommen die Gefechte wieder näher? Das sagen manche, die eine Gegenoffensive der Ukrainer erwarten. Oder können die Russen ihre Herrschaft doch sichern? Ein mehrfach kolportierter Plan zur schleichenden Einverleibung wären die Abhaltung eines Pseudoreferendums und die Ausrufung einer „Volksrepublik“.

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