Wort der Woche

Energiekrise

Die aktuelle Energiekrise bringt so manche unkonventionelle Idee zur Bereitstellung von Strom und Wärme wieder aufs Tapet.

Die Energiekrise nimmt – leider – Fahrt auf. Fieberhaft wird nach Auswegen aus der Spirale von Verknappung, Lieferstopps und Preissteigerungen gesucht. Neben naheliegenden Möglichkeiten, z. B. den Ausbau von Wind- und Solarstrom, Investitionen in Wärmepumpen und Dämmung sowie Effizienzsteigerungen, schlug die Internationale Energieagentur (IEA) auch vor, Bioenergie zu forcieren. Denn: Der große Bestand an Bioenergiekraftwerken in der EU sei 2021 nur zu etwa 50 Prozent ausgelastet gewesen. Ähnliches gilt für Biogas: Alleine durch die Verwertung organischer Abfälle könnten 20 Prozent des Erdgasbedarfs abgedeckt werden, hieß es kürzlich aus der Branche. Diese klassischen Methoden der energetischen Nutzung von Biomasse sind bewährt und weitgehend ausgereift, doch gerieten sie zuletzt v. a. aus Kostengründen ins Abseits. Das wird sich nun ändern.

Gleichzeitig wird auch die Forschung an neuen Alternativen zu fossilen Energieträgern wieder anspringen – auch diese war in Zeiten billiger Energie eher verhalten. Ideen gibt es genügend, auch viele unkonventionelle. So gibt es z. B. Versuche, aus Wasser und Sonnenlicht mithilfe von Mikroorganismen Wasserstoff zu produzieren. Spannend sind auch „Pflanzenbatterien“: Bakterien, die im Wurzelraum von Pflanzen leben, setzen als Nebenprodukte ihres Stoffwechsels Elektronen und positiv geladene Ionen frei, die man mit geeigneten Elektroden ableiten und nutzen könnte.

Ökologisch günstig wäre eine stärkere Nutzung von Wasserkraft. Der Bau neuer Kraftwerke ist allerdings nur begrenzt möglich und durchsetzbar. Es ginge aber auch anders, wie Forscher um Julian David Hunt (IIASA Laxenburg) meinen: Sie schlagen den Transport von Wasser aus den Bergen mit Elektro-Lkw ins Tal vor, wobei beim Bremsen Energie gewonnen wird (Rekuperation). Der so erzeugte Strom wäre laut den Forschern um die Hälfte billiger als aus Wasserkraftwerken (Energy 248, 123495).

Auch der menschliche Körper könnte künftig vermehrt als Energiequelle genutzt werden. Beispielsweise durch sogenannte „thermoelektrische Generatoren“, die am Körper (etwa als Fingerring) getragen werden und die Körperwärme in Strom umwandeln – so könnte man Handys und andere mobile Geräte mit Energie versorgen. Mancherorts (etwa in Oslo) wird bereits der Wärmegehalt menschlicher Ausscheidungen genutzt: Wärmepumpen entnehmen aus der Kanalisation Wärme und transferieren sie in ein Fernwärmenetz. Ein Beispiel, das durchaus Schule machen könnte.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2022)

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