Borissow wurde nach 24 Stunden Haft wieder freigelassen. Regierung wirft Staatsanwalt „Sabotage“ vor.
Belgrad/Sofia. Seine Zelle konnte Bulgariens Ex-Premier Bojko Borissow am Wochenende schon nach 24 Stunden verlassen. Mit versteinerter Miene und frenetisch umjubelt von rund 200 Anhängern klagte der frühere Leibwächter nach der Freilassung über seine „brutale“ Inhaftierung: „Sie haben uns in den Kommunismus zurückgebracht. Ich bin besorgt, dass sie mich beim nächsten Mal töten könnten.“ Von 2009 bis 2021 hatte der Chef der rechten Gerb-Partei mit Unterbrechungen Bulgariens Geschicke bestimmt. Doch schon 2020 leitete eine Protestwelle gegen die Korruption das Ende seiner Ära ein. Trotz seiner jetzigen Freilassung muss Borissow weiter den Gang hinter Gitter fürchten.
„Niemand steht über dem Gesetz“, so das Credo des neuen Premiers Kiril Petkow von der Antikorruptionspartei PP. In Bulgarien gebe es „keine unabhängige Staatsanwaltschaft“, kommentiert der 41-Jährige nun verärgert die Freilassung Borissows und sprach von „Sabotage“. Doch „parallel“ ermittle nun auch die EU-Staatsanwaltschaft in Luxemburg.
Hoffnung auf EU
Tatsächlich hat Europas Generalstaatsanwältin Laura Codruta Kövesi bei einer Sofia-Visite vergangene Woche Petkow ausdrücklich für den Kampf gegen die Korruption gepriesen – und die Behörden zur verstärkten Kooperation mit der neuen EU-Staatsanwaltschaft aufgefordert – „besonders auch in heiklen Fällen“.
Das Innenministerium hatte sich diesen Aufruf bei der kurz darauf erfolgten Verhaftung Borissows offenbar zu Herzen genommen. Die Staatsanwaltschaft fand die Beweislage jedoch zu dünn und widersprach auch dem von der Regierung kolportierten Verdacht auf Missbrauch von EU-Geldern. Gegen Borissow werde wegen des Verdachts der Erpressung ermittelt – und dafür sei die EU-Staatsanwaltschaft nicht zuständig.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2022)