Urteil

Schuldspruch: Neun weitere Jahre Straflager für Kremlkritiker Nawalny

Alexej Nawalny
Alexej Nawalny imago images/ITAR-TASS
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Dem 45-Jährigen wird vorgeworfen, Gelder für seine inzwischen in Russland verbotene Anti-Korruptionsstiftung veruntreut zu haben. Seine Anwälte wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen.

In einem weiteren Prozess gegen den inhaftierten Regimekritiker Alexej Nawalny hat ein russisches Gericht den 45-Jährigen zu neun Jahren Straflager unter besonders harten Haftbedingungen verurteilt. Zudem soll der bekannteste Gegner von Präsident Wladimir Putin in Russland 1,2 Millionen Rubel Strafe (10.300 Euro) zahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre Gefängnis gefordert. Nawalny habe in der Haft Verbrechen begangen und sei somit Wiederholungstäter, so die Begründung.

Nach der Verurteilung Nawalnys wurden dessen Anwälte kurzzeitig in Polizeigewahrsam genommen. Olga Michajlowa und Wadim Kobsew seien in der Nähe des Straflagers in einen Polizeibus gesteckt und weggebracht worden, schrieb Nawalnys Team am Dienstag bei Twitter. Die beiden Juristen hatten nach dem Urteilsspruch zunächst noch Interviews gegeben.

Die kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie Michajlowa von zwei Polizisten abgeführt wird - begleitet von Kameras. Der Agentur Interfax zufolge hatte zuvor ein Beamter dazu aufgerufen, sie wegen "Störung der Arbeit der Justizvollzugsanstalt" vom Gelände zu bringen. Die beiden Anwälte kamen der Interfax zufolge wenig später wieder auf freien Fuß.

Nawalny fordert Taten gegen „Kriegsverbrecher“ Putin

In dem als politische Inszenierung kritisierten Verfahren sprach die Richterin Nawalny unter anderem wegen Betrugs in besonders großem Umfang schuldig. Der Angeklagte habe sich auf dem "Weg der Täuschung und des Missbrauchs von Vertrauen das Vermögen von Fremden" erschlichen, erklärte Richterin Margarita Kotowa demnach. Nawalny bezeichnete die Anschuldigung gegen sich als frei erfunden und politisch motiviert.

Nach dem Urteil schrieb Nawalny auf Twitter: "Ich möchte sagen, nicht Sympathie und nette Worte sind die beste Unterstützung für mich und andere politische Gefangene, sondern Taten. Alles was gegen das hinterlistige und diebische Regime von Putin getan werden kann, jegliche Opposition gegen diese Kriegsverbrecher."

Das Team des Kreml-Gegners sieht das Vorgehen der russischen Justiz als weiteren Versuch an, Nawalny mundtot zu machen. Es handle sich um ein von Putin und der Präsidialverwaltung in Moskau gesteuertes Verfahren, sagte die Sprecherin des Oppositionellen, Kira Jarmysch. "Erst hat er (Putin) versucht, Alexej zu töten, und als das scheiterte, hat er entschieden, ihn für immer im Gefängnis zu halten."

Verantworten musste sich der zweifache Familienvater diesmal wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen in Russland verbotene Anti-Korruptionsstiftung und wegen Beleidigung einer Richterin in einem früheren Verfahren. Nach Angaben seines Teams hatten ihm bis zu 15 Jahre Haft gedroht.

Freiwillige Rückkehr nach Russland

Der Oppositionspolitiker hatte einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 nur knapp überlebt. Machthaber Putin wies eine Beteiligung zurück. Die EU und die USA hatten wegen des Attentats Sanktionen gegen Russland verhängt.

Nawalny war nach seiner Genesung in Deutschland, wo ihn die damalige Kanzlerin Angela Merkel in der Charité in Berlin besucht hatte, vor mehr als einem Jahr nach Russland zurückgekehrt. Er wurde am 17. Jänner 2021 am Flughafen in Moskau festgenommen, weil er gegen Auflagen in einem anderen Strafverfahren verstoßen haben soll.

Die russische Justiz hatte ihm vorgeworfen, während seiner Genesung in Deutschland in der Heimat gegen Meldeauflagen verstoßen zu haben. Ein Gericht wandelte daraufhin eine Bewährungsstrafe aus einem früheren Verfahren wegen angeblichen Betrugs in Straflagerhaft um. Die mehrjährige Haftstrafe verbüßt er in einem Straflager in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau.

Nun härtere Haftbedingungen?

Nawalnys Sprecherin Jarmysch befürchtet, dass er nun als "Wiederholungstäter" eingestuft und in ein Lager mit härteren Haftbedingungen deutlich weiter weg von Moskau gebracht werden könnte. "Es wird dann praktisch unmöglich sein, Zugang und Kontakt zu ihm zu haben", sagte Jarmysch.

Bisher gelingt es dem Politiker immer wieder, über seine Anwälte Botschaften an die Öffentlichkeit zu bringen. So wurden zuletzt auch Nawalnys Aufrufe zu Protesten gegen Putins Krieg gegen die Ukraine in Sozialen Netzwerken verbreitet.

(APA/AFP)

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