Bridgerton
Staffel zwei

„Bridgerton“ geht weiter: Ein Paarungstanz zu dritt

Die Historienseifenoper über den Heiratsmarkt in der feinen englischen Gesellschaft war der Netflix-Hype des letzten Winters. Die zweite Staffel lässt es langsamer (und lange recht keusch) angehen: zu sehen ab Freitag.

„More of the same!“ Diese Heiratssaison sei doch genau wie die letzte, bemängelt die herzlich heiratsunwillige Hochadelstochter Eloise zu Beginn der zweiten Staffel der Netflix-Hypererfolgsserie „Bridgerton“. Und der Tratschtante Lady Whistledown, die mit ihrem heimlich herausgegebenen Klatschblatt die Sensationslust der feinen englischen Gesellschaft der Regency-Ära befriedigt, falle dazu auch nix Neues ein. Geht da nicht mehr?

Nicht mehr, eher weniger liefert über weite Strecken die neue Staffel. Im Winter 2020 schien die Serie genau das zu sein, wonach das pandemiemüde Publikum dürstete: Eine pompöse Seifenoper, die dank ausschweifender Sex-Szenen und einer ethnisch diversen Besetzung („Geschichtsklitterung“, schimpften manche) für Eskapismus wie auch Wokeness-Diskurse taugte. Der Quotenrekord, den Netflix verkündete (82 Millionen Zuseher im ersten Monat), wurde nur von „Squid Game“ gebrochen.

Nun gehen die Paarungstänze also in die nächste Runde. Wieder türmen sich Blumengestecke und Lockenfrisuren, Streichquartette spielen Melodien von Madonna und Rihanna, während munter geflirtet, geknickst und intrigiert wird. Der Duke Simon Besset (Regé-Jean Page), Objekt des Schmachtens in der ersten Staffel, lässt sich hier gar nicht mehr blicken, die damalige weibliche Hauptfigur Daphne (Phoebe Dynevor) nur hin und wieder.

Bridgerton
BridgertonLIAM DANIEL/NETFLIX

Im Fokus der Handlung steht nun ihr Bruder: Die zentralen Kandidaten dieser Saison sind der arrogante Viscount Anthony Bridgerton (Jonathan Bailey) – der nichts weniger als die perfekte Frau sucht, wobei Liebe in seinem Kriterienkatalog nicht vorkommt – und ein aus Indien nach London gekommenes Schwesternpaar, bestehend aus der jungen Romantikerin Edwina Sharma (Charithra Chandran) und der resoluten Kate Sharma (dominant: Simone Ashley aus „Sex Education“), die die Verheiratung ihrer Schwester streng überwacht. Die Details der Dreiecksbeziehung bittet Netflix Rezensenten nicht zu verraten, doch dass unter der lustvoll ausagierten Abneigung zwischen Anthony und Kate zunehmend das Begehren brodelt, entgeht nur den ignorantesten Narzissten in den Ballsälen hier. Von denen es natürlich genügend gibt.

Gossip-Girl? Meinungsführerin!

Serienmacher Chris Van Dusen – der im Auftrag der Produzentin Shonda Rhimes („Grey's Anatomy“) handelt – lässt es diesmal vergleichsweise keusch angehen und steigert die (sexuelle) Spannung nur langsam. Ein Konflikt, der einige Figuren umtreibt, ist jener zwischen Verlangen und Vernunft, zwischen Sehnsüchten und Pflichtgefühl. So sehr die Figuren gegen ihre inneren Regungen ankämpfen, so sehr bezieht die Serie ihr Prickeln aus den Momenten, in denen sie doch aus ihnen hervorbrechen.

(c) LIAM DANIEL/NETFLIX (LIAM DANIEL/NETFLIX)

Schade, dass die Staffel den Figuren abseits des zentralen Gespanns wenig zu tun gibt und sie vielfach in standesgemäßer Langeweile schwelgen lässt. Dagegen helfen auch ein paar weibliche Ermächtigungsabenteuer wenig: die schlagfertige Eloise (Claudia Jessie) findet Gefallen an der Frauenbewegung, und ihre Freundin Penelope (Nicola Coughlan, toll auch in „Derry Girls“), die hinter dem Pseudonym Lady Whistledown steckt, wandelt sich vom Mauerblümchen zur geschäftstüchtigen (und zunehmend Einfluss ausübenden) Untergrund-Operateurin. Dabei versucht „Bridgerton“ auch eine Aufwertung ihres Metiers: Nein, das ist kein Gossip-Girl, das ist eine Meinungsführerin!

Shonda Rhimes: Die richtige Produzentin für saftige Dramen

Nicht nur, aber auch in der Darstellung der ambivalenten, zielstrebigen Frauenfiguren reiht sich „Bridgerton“ bestens in den Katalog von Shonda Rhimes ein: Die 1970 in Chicago geborene Serienproduzentin erzielte ihren ersten großen Erfolg mit dem Krankenhausdrama „Grey's Anatomy“. Für den US-Sender ABC kreierte sie einige Serien (etwa „How To Get Away With Murder“ über eine Strafrechtsprofessorin, die sich mit ihrer Studententruppe in einen Kriminalplot verstrickt), bevor sie genug hatte von dem Konzern, bei dem sie sich nicht wertgeschätzt, unterbezahlt und kreativ gefesselt fühlte. Als ihr mit den Worten „Hast du nicht schon genug?“ ein Familien-Eintrittspass zum Disneyland (ABC ist Teil des Disney-Konzerns) verweigert wurde, reichte es ihr – so die Erzählung: Sie beschloss, zu Netflix zu wechseln.

2017 band Netflix sie und ihre Firma „Shondaland“ mit einem Exklusivdeal an sich: Ihr Händchen für saftige Dramen, die erzählerisch in Bann ziehen und bei aller Trivialität vielschichtig sind, und ihr gutes Gespür für Publikumsbedürfnisse (ihre Serien zeigten etwa Diversität, bevor diese ein Schlagwort wurde), waren dem Streamingriesen kolportierte 150 Millionen Dollar wert, für die Streamingrechte an ihren alten Serien wurde noch extra bezahlt. Nun heckt sie also nur für Netflix neue Serien aus – letzter Streich war die Hochstaplergeschichte „Inventing Anna“.

World premiere for Netflix show 'Bridgerton' season two, in London
World premiere for Netflix show 'Bridgerton' season two, in LondonREUTERS

„Ich bin die bestbezahlte Showrunnerin im Fernsehen“

Anders als der Produzent Ryan Murphy, der ebenfalls für Netflix reihenweise Serien aus dem Ärmel schüttelt („Hollywood“, „Halston“, „Ratched“, „The Politician“), von denen die wenigsten wirkliche Hits werden, lässt sie sich Zeit, und Netflix lässt sie: Ihre Trefferquote spricht für sich. Ihren Erfolg weiß sie öffentlich zu benennen: „Ich bin die bestbezahlte Showrunnerin im Fernsehen“, verkündete sie 2018 am Podium einer Preisverleihung. Kürzlich bestellte Netflix eine neue Serie bei ihrer Produktionsfirma, ein Screwball-Krimidrama namens „The Residence“, das im Weißen Haus spielt. Zu „Bridgerton“ ist indes schon eine dritte und vierte Staffel geplant.

„Bridgerton", Staffel zwei: Ab Freitag auf Netflix.

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