"Entschuldigt euch"

William und Kate auf Jamaika mit Protesten konfrontiert

"Seh yuh sorry" - ein Ausdruck in lokalem Patois, der Großbritannien zu einer Entschuldigung auffordert.
"Seh yuh sorry" - ein Ausdruck in lokalem Patois, der Großbritannien zu einer Entschuldigung auffordert.(c) APA/AFP/RICARDO MAKYN (RICARDO MAKYN)
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Jamaika will eine Republik werden. Das royale Paar Karibikreise sieht sich deshalb während ihrer Karibikreise mit Demonstrationen konfrontiert.

Prinz William und Herzogin Kate befinden sich aktuell auf einer einwöchigen Tour durch die Karibik, besuchen dort Belize, Jamaika und die Bahamas, um das siebzigjährige Thronjubiläum der Queen zu feiern. Dabei sahen sie sich mit Protesten konfrontiert, die Dienstag vor dem britischen Hochkommissariat in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston stattfanden. Gefordert wird eine Entschuldigung Großbritanniens sowie die Wiedergutmachung der historischen Rolle der Monarchie im Sklavenhandel.

„Entschuldigung jetzt, Wiedergutmachung jetzt“, riefen Demonstrierende. Einige trugen Plakate und Schilder mit ähnlicher Aufschrift: „Entschuldigt euch“ oder „Lasst uns die Herrschaft der Königin loswerden“. „Könige und Königinnen, Prinzessinnen und Prinzen gehören in Märchen, nicht auf Jamaika“, steht auf dem Plakat eines Mädchens. Bereits am Samstag wurde ein Besuch in Belize aufgrund Widerstände von Anwohnerinnen und Anwohnerin abgesagt.

Ein Mädchen unter den Demonstrierenden am Dienstag.
Ein Mädchen unter den Demonstrierenden am Dienstag.(c) APA/AFP/RICARDO MAKYN (RICARDO MAKYN)

Dunkle Geschichte

Die gemeinsame Geschichte des Vereinigten Königreichs und Jamaika reicht Jahrhunderte zurück. 1655 wurde die Insel von Großbritannien erobert und blieb bis zur Unabhängigkeit 1962 unter britischer Herrschaft - also 307 Jahre. Bis heute aber ist Jamaika ein Gebiet des Commonwealth, mit der Queen als Staatsoberhaupt.

Ein Großteil der dort lebenden Menschen ist afrikanischer Abstammung und sieht sich mit der Versklavung der eigenen Vorfahren konfrontiert, die von europäischen Kolonialmächten dorthin verschleppt wurden. Im August dieses Jahres feiert Jamaika 60 Jahre Unabhängigkeit von der britischen Monarchie. Für viele scheint das der richtige Zeitpunkt für den Übergang zu einer Republik.

Jamaikas Weg zur Republik

Der jamaikanische Premierminister Andrew Holness erklärte am Mittwoch gegenüber William und Kate, Jamaika komme voran, man werde das „wahre Ziel“, unabhängig zu sein, erreichen. „Jamaika ist, wie Sie sehen können, ein Land, das sehr stolz auf seine Geschichte ist, sehr stolz auf das, was wir erreicht haben, und wir machen weiter, und wir beabsichtigen, unser wahres Ziel, ein unabhängiges, entwickeltes und wohlhabendes Land zu sein, in kurzer Zeit zu erreichen“, sagte Holness. „Es gibt hier Probleme, die, wie Sie wissen, ungelöst sind. Aber Ihre Anwesenheit gibt uns die Möglichkeit, diese Probleme in den richtigen Kontext zu stellen, sie in den Mittelpunkt zu rücken und sie so gut wie möglich zu lösen“, fügte der Premierminister hinzu.

Konkret kündigte die Regierung bereits vergangenes Jahr an, Großbritannien um Entschädigung für den Zwangstransport von etwa 600.000 Afrikanerinnen und Afrikanern zur Arbeit auf Zuckerrohr- und Bananenplantagen zu bitten, die den britischen Sklavenhaltern ein Vermögen einbrachten. Der jamaikanische Gesetzgeber Mike Henry hat ein Reparationspaket in Höhe von 7,6 Milliarden Pfund (etwa 9,1 Milliarden Euro) vorgeschlagen.

Debatte wird lauter

„Es ist eine Beleidigung“, sagte hingegen die Menschenrechtsaktivistin Kay Osborne gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bei der Demonstration am Dienstag, „dass diese jungen Leute (William und Kate, Anm. der Red.) hier sind, um zu versuchen, uns zu überreden, den Status quo beizubehalten, während es unser Ziel ist, die Hände, die behandschuhten Hände der Königin um unsere Hälse, zu lösen und zu entfernen, damit wir atmen können.“ Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Aktivistin Rosalea Hamilton, die auch bei der Organisation der Kundgebung half, spricht von einem „historischem Unrecht“, das aufgearbeitet werden müsse.

Eine junge Frau hält im Rahmen des Protests eine Rede.
Eine junge Frau hält im Rahmen des Protests eine Rede.(c) APA/AFP/RICARDO MAKYN (RICARDO MAKYN)

Auch die ehemalige Senatorin von Jamaika, Imani Duncan-Price, war unter den Demonstrierenden. Sie sagte der Nachrichtenagentur, sie nehme an dem Protest teil, „weil wir zu Beginn unserer Unabhängigkeit wirtschaftlich schwach waren, nachdem wir von der Monarchie ausgeplündert wurden, die heute von den Vorteilen dieses Reichtums lebt“. „Sechzig Jahre Unabhängigkeit haben wir nicht vergessen und wir fordern eine Entschuldigung und Wiedergutmachung“, sagte eine demonstrierende Frau durch ein Megafon.

Das regionale Nachbarland Barbados hatte im vergangenen Jahr Königin Elizabeth II. als Staatsoberhaupt abgesetzt und durch die erste Präsidentin des Landes, Sandra Mason, ersetzt. Seitdem nimmt die Debatte auch in Jamaika, die Beziehungen zu London zu kappen, an Fahrt auf. Jamaikanische Beamte haben erklärt, dass die Regierung bereits eine Reform der Verfassung prüft, um tatsächlich eine Republik zu werden. Expertinnen und Experten zufolge könnte dieser Prozess Jahre dauern und würde ein Referendum erfordern - im Gegensatz zum kleineren Nachbarstaat Barbados, der die Änderung durch einen Parlamentsbeschluss vornehmen konnte.

„Größte Menschheitstragödie der Geschichte“ 

Zwei Tage vor der Ankunft des royalen Paares am Dienstag, unterzeichneten hundert prominente jamaikanische Personen wie Organisationen einen offenen Brief an die beiden. Darin werden sie aufgefordert, Rechenschaft abzulegen und „einen Prozess der Wiedergutmachung einzuleiten“. „Wir sehen keinen Grund, den 70. Jahrestag der Besteigung des britischen Throns durch Ihre Großmutter zu feiern, da ihre Führung und die ihrer Vorgänger die größte Menschenrechtstragödie in der Geschichte der Menschheit fortgesetzt haben“, heißt es in einem Teil des Briefes.

Während der siebzigjährigen Regierungszeit habe die Queen nichts unternommen, um das Leid der Vorfahren der Jamaikanerinnen und Jamaikaner wiedergutzumachen, das während ihrer Regierungszeit und der gesamten Zeit des britischen Afrikahandels, der Versklavung, der Knechtschaft und der Kolonialisierung stattgefunden hatte, liest es sich weiter.

Britische Medien berichteten, dass Prinz William dieses Kapitel der britischen Geschichte in seinen weiteren Reden vor Ort ansprechen werde. Bisher hat er sich jedoch nicht für die Sklaverei entschuldigt, sie aber als „schreckliche Gräueltat“, die ihre Geschichte für immer beflecken würde, bezeichnet. Damit stimmt er seinem Vater, Prinz Charles zu, der in einer zuvor gehaltenen Rede anlässlich des Übergangs von Barbados zur Republik im vergangenen November die „entsetzliche Grausamkeit der Sklaverei“ anerkannt hatte.

(Reuters/evdin)

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