Umwelt

Boden-Verbrauch: „Tyrannei der kleinen Entscheidungen“

(c) Christoph Wisser
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Wissenschaftler schlagen Alarm: Der Verbrauch von Boden und die Versiegelung haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

„Wir haben keine Erfahrung damit, wie mit Problemen umzugehen ist, deren Folgen erst zeitverzögert zu spüren sind“, meint Kirsten von Elverfeldt, Professorin am Institut für Geographie und Regionalwirtschaft der Universität Klagenfurt. „Es ist so, als legten wir die Hand auf die heiße Herdplatte und spürten die Verbrennungen erst nach fünf Minuten. Dann ist es zu spät.“

So ähnlich sei dies mit den Folgen des unkontrollierten Bodenverbrauchs. Wenn sich die Folgen zeigen, werde es zu spät sein. Wobei es hier noch komplizierter ist, weil es – um im Bild zu bleiben – nicht nur eine Herdplatte gibt, sondern viele – bedingt durch die Zersplitterung der Zuständigkeiten für Raumordnung, die sich auf die Bundesländer und die Gemeinden verteilen. Deshalb spricht die Wissenschaftlerin von einer „Tyrannei der kleinen Entscheidungen“, die sich – in Summe – zu sehr nachteiligen Entwicklungen bündeln.

„In den vergangenen elf Jahren ist eine Fläche von der Größe des Bodensees verloren gegangen,“ sagt sie. Seit 2010 seien täglich teilweise 16 Hektar Boden verbraucht worden. Im Programm der Bundesregierung wird angestrebt, diesen Wert bis 2030 auf 2,5 ha täglich zu reduzieren, der World Wide Fund for Nature (WWF) verlangt sogar die Senkung auf einen Hektar.

Andreas Baumgarten, Leiter der Abteilung für Bodenkunde und Pflanzenernährung in der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), sagt, dass der Krieg in der Ukraine zeige, wie wichtig es sei, dass Selbstversorgung möglich bleibt. Er streicht die Funktionen intakten Bodens heraus, die bei der Aufnahmefähigkeit und Filterung beginnen, über die Artenvielfalt gehen und mit der Bindung von Kohlenstoff als Bremse der Klimaänderung enden. Baumgarten: „Es liegt auf dem Tisch, was zu tun ist. Es muss nur gemacht werden.“

In der Pressekonferenz der Wissenschaftler („Scientists for future Kärnten“ und „Diskurs – das Wissensnetz“) am Donnerstag meint schließlich Arthur Kanonier, Professor am Institut für Bodenpolitik und Bodenmanagement an der Technischen Universität Wien, dass es derzeit einen „Wildwuchs“ gebe. Beschleuniger des Bodenverbrauchs seien in den vergangenen paar Jahren vor allem „der Trend zum Zweit-Wohnsitz und zum alleinstehenden Haus mit Doppelgarage“ gewesen.

Völlig aus dem Ruder laufe es bei der touristischen Nutzung: Hier gebe es gerade bei Campingplätzen und Chalet-Dörfern einen regelrechten Boom. Schwierig seien in erster Linie die Zersplitterung der Kompetenzen und die falschen finanziellen Anreize (Wohnbauförderung, Einwohnerzahl und Zahl der Arbeitsplätze als Bemessung für den Finanzausgleich). Kanonier, der auch Vorsitzender der österreichischen Gesellschaft für Raumplanung ist, meint: „Problematisch ist schließlich, dass den Gemeinden heute häufiger nicht mehr Einzelpersonen als Grundstücksbesitzer gegenüberstehen, sondern eine Fondgesellschaft. „Die hat zu Grund und Boden einen ganz anderen Zugang.“

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