Im Gespräch

Ein Komponist debütiert am Philharmoniker-Pult

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Thomas Adès, einer der führenden Meister der zeitgenössischen Musik, dirigiert zum ersten Mal die Wiener Philharmoniker.

Genau genommen, ist Thomas Adès in dieser Saison bereits der zweite zeitgenössische Komponist am Dirigentenpult der Philharmoniker. Jüngst hat John Williams nebst seinen „Star Wars“-Klängen mit Anne-Sophie Mutter auch eines seiner Violinkonzerte im Musikverein geadelt. Das war ein Sonderkonzert. An diesem Wochenende aber leitet der englische Komponist Thomas Adès ein Abonnementkonzert, und das ist aus zweierlei Gründen noch etwas ganz anderes.

Die philharmonischen Konzerte des Staatsopernorchesters gelten seit ihrer Gründung als das Allerheiligste des Wiener Musikbetriebs. Sie dienen der Klassiker-Pflege und dem großen romantisch-symphonische Repertoire. Und mag auch in der jüngeren Vergangenheit viel zeitgenössische Musik die gewohnte Abfolge von Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms und Bruckner durchbrochen haben: Wenn ein Komponist erscheint, um seine eigenen Werke zu dirigieren, dann markiert das nicht nur im philharmonischen Kalender, sondern auch im Lebenslauf dieses Komponisten ein besonderes Datum.

Nun neigt Thomas Adès, erfolgverwöhnt seit seinen Jugendtagen, als typischer Engländer nicht gerade zu euphorischen Gefühlsausbrüchen in eigener Sache. Aber dass die Begegnung mit den Wiener Philharmonikern den am Dirigentenpult auch nachschöpferisch tätigen Komponisten nicht kalt gelassen hat, geht aus seinen Anmerkungen im Gespräch anlässlich der Probenarbeit durchaus hervor.

„Ich bewunderte den Klang!"

Adès erinnert sich mit Freude an sein Wiener Staatsoperndebüt im Juni 2015, als er, umjubelt wie ein Popstar, seine Shakespeare-Oper „The Tempest“ einstudierte. „Ich bewunderte den Klang, den das Orchester aus meiner Musik herausgeholt hat“, sagt er, „es war sofort ein Verständnis für meine Klangsprache spürbar. Da wurden nicht nur die Noten exakt wiedergegeben. Man hörte die Bedeutung der Phrasen, verstand ihre Aussage.“ Vor allem aber: „Aus diesem Verständnis heraus haben die Musiker auch sehr gute Fragen gestellt“, sagt Adès und räumt ein, auch vor dem philharmonischen Konzert während der Proben des Öfteren etliche Korrekturen in seiner Partitur vorgenommen zu haben: „Keine großen Sachen, gewiss, aber Phrasierungs-Details kommen da immer dazu. Sehr zum Leidwesen meines Verlegers!“

„Große Sachen“, das wären grundsätzliche Umarbeitungen bestimmter Passagen in einem Werk. Das ist Adès kaum je „passiert“. Er hat seine Visionen und weiß als Praktiker – er ist auch ausgebildeter Pianist – wie er diese zu Notenpapier bringen kann. Dass er manchmal extreme Dinge verlangt, etwa Töne in schwindelerregenden Höhen, ist längst legendär. Die Instrumentalisten haben sie bis dato auch immer noch „servieren“ können, sogar wenn sie zunächst nicht geglaubt hatten, sie realisieren zu können. Opernfreunde erinnern sich vielleicht auch an die in stratosphärische Vokalregionen vordringenden Koloraturen, die Audrey Luna, der Ariel im „Tempest“, an der Staatsoper bewältigte. Ob Adès in einem solchen Fall auch einmal „nachgeben“ würde, wenn eine darstellerisch ideale Interpretin mit den stimmlichen Anforderungen nicht zurecht käme? „Also, umkomponieren würde ich ein Stück nicht“, sagt er, „wahrscheinlich würde ich sagen: Ändere, was du ändern musst, aber sag es mir gar nicht.“

Von Kompromissen spricht man nicht

Solche Kompromissbereitschaft konnte man einst bei einem Richard Strauss erleben, der als Dirigent und Pianist ebenso Praktiker war wie Adès, und in den Druckausgaben seiner Werke ebenso stur blieb! Seine Visionen notiert auch Thomas Adès stets ohne Wenn und Aber. Und ohne sich um Doktrinen zu scheren. „Die haben mich nie gekümmert“, sagt er. Die Meister seiner Generation lassen sich von den ästhetisch-theoretischen Skrupeln der Erben der „Moderne“ nicht mehr plagen.

Programm: Berg, Drei Orchesterstücke, op. 6; Ravel,
La Valse; Adès, Totentanz. Am 26., 27. und 30. März.

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