Der ökonomische Blick

Die internationale Dimension geldpolitischer Entscheidungen

Die US-Notenbank Fed erhöhte im März den Leitzins.
Die US-Notenbank Fed erhöhte im März den Leitzins. APA/AFP/SAUL LOEB
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Interaktionseffekte beeinflussen die Wirkung der Geldpolitik. Daher lassen Zentralbanken von offenen Volkswirtschaften auch immer die globalen Entwicklungen in ihre Analysen einfließen.

In der Sitzung vom 3. November 2021 hat das Federal Open Market Committee (FOMC), das geldpolitische Entscheidungsorgan der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), vor dem Hintergrund der hohen Inflation und der wirtschaftlichen Überhitzungserscheinungen in den USA entschieden, die Anleihekäufe sukzessive um 15 Milliarden US-Dollar monatlich zurückzufahren. Anfang März wurden dann zusätzlich eine Erhöhung des Leitzinses um 25 Basispunkte beschlossen und weitere Zinserhöhungen im aktuellen Jahr diskutiert. Für den Euroraum hat die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am 10. März zwar eine graduelle Verringerung der Wertpapierkäufe im Rahmen des sogenannten Asset Purchase Programme (APP) angekündigt, jedoch eine Anpassung der Leitzinsen lediglich für eine nicht näher festgelegte Zeit danach in Aussicht gestellt.

Diese Situation zeigt, dass Zentralbanken auf die wirtschaftliche Situation der jeweiligen Währungsräume im Rahmen ihrer Mandate reagieren, dies aber nicht unbedingt synchron erfolgen muss. Eine unmittelbare Konsequenz ist somit eine unterschiedliche Geschwindigkeit, mit welcher die beiden Notenbanken ihre geldpolitische Ausrichtung anpassen. Auch beeinflussen geldpolitische Entscheidungen, bedingt durch die seit Jahrzehnten verstärkt zunehmende Integration der Weltwirtschaft, nicht nur das In- sondern auch das Ausland. Dies kann zur internationalen Übertragung wirtschaftlicher Schocks führen. So kann eine geldpolitische Maßnahme, welche für ein einzelnes Land optimal ist, unter Einbeziehung von derartigen Spillover-Effekten internationale Auswirkungen haben. Die unterschiedliche wirtschaftliche und politische Lage in den USA und dem Euroraum ist ein aktuelles Beispiel. Während in den Vereinigten Staaten die Arbeitsmarktzahlen das Vorkrisen-Niveau übertreffen und die wirtschaftliche Aktivität auf einem hohen Niveau ist, sind im Euroraum zusätzlich zu den Nachwehen der Pandemie auch die gestiegene Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine zu spüren. Dadurch stellt sich nun die Frage, inwiefern die Wirkung der Geldpolitik einer Zentralbank durch Maßnahmen einer anderen Zentralbank beeinflusst werden kann.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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In der empirischen Makroökonomik werden derartige Fragen mit multivariaten Zeitreihenmodellen analysiert. Diese statistischen Ansätze kombinieren verschiedene makroökonomische Größen (beispielsweise die Inflation, das Bruttoinlandsprodukt oder den Zinssatz) mit dem Ziel, die potenziellen Wirkungen unerwarteter Interventionen zu analysieren. Für unsere Analyse der Wirkung von US-Geldpolitik auf die europäische Geldpolitik verwenden wir zur Messung von geldpolitischen Interventionen Berechnungen von EZB und Fed ÖkonomInnen. Um nun die beiden Zentralbanken modelltechnisch miteinander verbinden zu können, bietet es sich an, die geldpolitische Reaktion der EZB direkt in Bezug zur aktuellen geldpolitischen Situation in den USA zu setzen. Mit dieser Strategie kann der Effekt einer geldpolitischen Änderung der EZB auf makroökonomische Größen des Euroraums in Abhängigkeit der US-Geldpolitik quantifiziert werden.

Um die Reaktion der Volkswirtschaft sowie des Finanzmarkts des Euroraums analysieren zu können, simulieren wir eine restriktive geldpolitische Entscheidung der EZB und analysieren wie sich die Inflationserwartungen (als wichtige Zielgröße einer Notenbank) dynamisch über die Zeit verändern. Diese Reaktionen sind in der Abbildung dargestellt und zeigt wie sich Inflationserwartungen nach einem unerwarteten geldpolitischen Schock in Abhängigkeit einer restriktiven (rot) und eine expansiven (blau) US-Geldpolitik im Wochenverlauf ändern. Die durchgezogenen Linien stellen Mittelwerte und die Schattierung die Schätzunsicherheit des Modells dar.

Abbildung: Reaktion der Inflationserwartung in Prozent auf eine unerwartete restriktive Intervention der EZB. Blaue Flächen beziehen sich auf die Reaktion der Erwartung bei gleichzeitig expansiver US-Geldpolitik und rote Flächen auf restriktive US-Geldpolitik.
Abbildung: Reaktion der Inflationserwartung in Prozent auf eine unerwartete restriktive Intervention der EZB. Blaue Flächen beziehen sich auf die Reaktion der Erwartung bei gleichzeitig expansiver US-Geldpolitik und rote Flächen auf restriktive US-Geldpolitik.

Es zeigt sich, dass die Inflationserwartungen im Euroraum direkt nach einer unerwarteten Straffung der EZB-Geldpolitik unabhängig vom geldpolitischen Kurs der Fed kurzfristig fallen. Während bei einer gleichzeitig restriktiven Haltung der beiden Zentralbanken die Inflationserwartungen über die ersten vier Wochen weiter fallen, unterscheidet sich die Reaktion der Erwartungen bei einer expansiven Haltung der Fed doch deutlich. Dieses Szenario (dargestellt in blau) zeigt nämlich einen deutlichen Anstieg der erwarteten Inflation innerhalb des ersten Monats nach dem Schock. Diese unterschiedlichen Effekte sind nicht nur im Fall von Inflationserwartungen ersichtlich, sondern zeigen sich auch für andere Größen, wie zum Beispiel für Zinsen auf Staatsanleihen, den EUR/USD-Wechselkurs oder Reaktionen der Aktienmärkte. So führt beispielsweise eine unterschiedliche Geldpolitik zu einer stärkeren Reaktion des Wechselkurses. Obwohl sich unsere Betrachtung auf den Euroraum bezieht, gibt es auch Evidenz, dass die Wirkung der US-Geldpolitik auch umgekehrt (wenn auch etwas schwächer) von der Geldpolitik im Euroraum abhängt.

Unsere Analyse zeigt somit, dass Interaktionseffekte die Wirkung der Geldpolitik beeinflussen. Daher lassen Zentralbanken von offenen Volkswirtschaften auch immer die globalen Entwicklungen in ihre Analysen einfließen, um bestmöglich auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten reagieren zu können.

Die Autoren

Florian Huber ist Professor für Empirische Makroökonomik an der Paris Lodron Universität Salzburg. In seiner Forschung befasst er sich mit der Entwicklung von ökonometrischen Verfahren zur Analyse makroökonomischer Fragestellungen. Er ist wissenschaftlicher Berater der Europäischen Kommission und der Österreichischen Nationalbank (OeNB).

Thomas O. Zörner ist Ökonom im Referat Geldpolitik der Österreichischen Nationalbank (OeNB) sowie Assistenzprofessor für Volkswirtschaft am Institut für Makroökonomie der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Forschung konzentriert sich auf geldpolitische Fragestellungen, Kredit- und Konjunkturdynamiken und Makroökonometrie.

Diese Darstellung gibt ausschließlich die Meinung der Autoren wieder, die nicht jener der OeNB oder des Eurosystems entsprechen muss.

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