Materialentwicklung

Klimafreundliche Holzfaser stoppt das Wumm-wumm-wumm

Mehr Wohnkomfort durch nachwachsende Ressourcen. Daran arbeiten Wiener Wissenschaftler am Beispiel einer Trittschalldämmung aus Holzfasern. Sie soll auch bei tiefen Frequenzen wirksam sein und die Eigenschaften von „schwimmenden Estrichen“ verbessern.

Wer es je erlebt hat, der weiß, wie unangenehm es sein kann: das dumpfe Beben, wenn der Nachbar im oberen Stockwerk schweren Schrittes seine Wohnung durchmisst. Schuld daran, dass dieses oft mit Vibrationen verbundene Dröhnen so deutlich vernehmbar ist, ist nicht nur der Nachbar, sondern auch eine schlechte Trittschalldämmung in der Trenndecke zwischen den Etagen.

Franz Dolezal vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie, einem Mitglied des Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research (ACR), hat mit seinem Projektteam, dem auch Mitarbeiter der TU Wien angehören, dieser Form der Lärmbelästigung den Kampf angesagt. Die Wissenschaftler sind an einem internationalen Vorhaben beteiligt, dessen Ziel es ist, dem „Wumm-wumm-wumm“ ein Ende zu setzen und gleichzeitig die Nachhaltigkeit in der Baubranche zu erhöhen.
Es geht um die Entwicklung einer Trittschalldämmung, die aus Holzfasern, also aus einer Ressource mit einem geringen ökologischen Fußabdruck, besteht: Sie kann Schwingungen durch Schritte, die Ursache der tieffrequenten Störgeräusche, möglichst gut dämpfen. „Holzfaser-Dämmungen anstelle von solchen aus weniger umweltfreundlichen Materialien gibt es schon. Sie leisten auch gute Dienste beim Einbau von Trocken-Estrichen, da sie aufgrund ihrer Härte hohen Punktdrucklasten standhalten und somit einen Bruch des Estrichs verhindern können. Diese Härte geht jedoch auf Kosten der Trittschalldämmung“, beschreibt Dolezal. Die Forschenden versuchen nun, die Holzfasern so zu behandeln, dass sie einerseits stark genug sind, um die erforderlichen Lasten auszuhalten, und andererseits elastisch genug, um die Schwingungen, die durch das Gehen entstehen, abzufedern.

Lärm ist keine Zahl, aber ein Empfinden

In Zahlen

Die dafür erforderliche Materialforschung wird vorrangig in Slowenien beim Forschungsinstitut InnoRenew CoE und an den Partneruniversitäten in Primorska und Ljubljana betrieben. „Unsere Aufgabe ist es, erweiterte Schall- und Schwingungsmessungen durchzuführen, um die Dämmwirkung der unterschiedlichen Materialvarianten zu überprüfen“, sagt Dolezal. Zusätzlich werden digitale Modelle entwickelt, um Verbesserungspotenziale auszuloten und die jeweiligen Dämmeffekte zu prognostizieren. Für die Messungen verwenden die vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Wiener Forscher das „Ambisonic-System“. Diese Aufnahmetechnologie soll der Komplexität der Trittschall-Wahrnehmung gerecht werden.

Der bisher übliche „Trittschallpegel“, der die Vielfalt der Gehgeräusche auf eine einzige Zahl verdichtet, sei veraltet und zu wenig differenziert, heißt es. Denn Lärm, so Dolezal, sei keine physikalische Kategorie, die sich in einer solchen Zahl zusammenfassen ließe, sondern ein subjektives Empfinden. Um diesen gesamten Schalleindruck einzufangen, verteilen die Wissenschaftler Dutzende Mikrofone in einem Raum und nehmen das Dröhnen auf. Anschließend werden die Aufnahmen im Schalllabor in Slowenien Probanden vorgespielt. Mittels Fragebogen sowie Herzfrequenz- und Stresshormonmessung wird erhoben, wie unangenehm die Testpersonen die Geräusche empfinden.

„Die Anforderungen an die Schalldämmung steigen kontinuierlich“, sagt Dolezal. „Besonders, was die tiefen Frequenzbereiche, in die auch der Trittschall fällt, betrifft.“ In der ÖNORM 8115-5 sind Schallschutzklassen definiert, die darauf Bedacht nehmen und auf Bauherrenwunsch vereinbart werden können. Das Projekt soll die Grundlagen für die Entwicklung von hocheffizienten Trittschalldämmplatten und damit für die Verbesserung der Eigenschaften sogenannter schwimmender Estriche liefern.

Positiver Aspekt aus ökologischer Sicht: Holzfaserdämmungen mit optimalen Eigenschaften würden die Einsatzmöglichkeiten dieses umweltfreundlichen Materials im Estrichbau erheblich erweitern, sind Dolezal und sein Team überzeugt. „Ausgangsmaterial ist eine erneuerbare Ressource, und sowohl die Herstellung als auch der Verwertungsprozess am Lebensende des Produkts haben ökologische Vorteile gegenüber konventionellen Materialien.“100Hertz (Hz): In diesem Frequenzbereich (meist darunter) sind die Geräusche, die durch das Barfuß-Begehen von Fußböden in Zimmern entstehen, angesiedelt. Das entspricht etwa dem Bereich vom Bass bei Musikanlagen.

48 Dezibel (dB): So laut darf der Standard-Trittschallpegel laut OIB-Richtlinie 5 sein. Das entspricht etwa dem Geräusch leichten Regens.

60dB darf in Ausnahmen der Trittschallpegel betragen, wenn sich über der Wohnung z. B. ein als Trockenboden genutzter Dachraum befindet.

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