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Bologna-Lebensgefühl mit Abstrichen

Nicht immer landen Studienbewerber auch an der europäischen Uni, an der sie eigentlich studieren wollen.
Nicht immer landen Studienbewerber auch an der europäischen Uni, an der sie eigentlich studieren wollen. Getty Images
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Bachelor in einem Land, Master im anderen – das wurde durch den Europäischen Hochschulraum für viele Studierende möglich. Hürden gibt es dennoch.

Wer heute sein gesamtes Studium an derselben Universität verbringt, ist eher die Ausnahme als die Regel. Denn der gemeinsame Europäische Hochschulraum, der ab der Erklärung von Bologna der europäischen Bildungsminister im Jahr 1999 entwickelt wurde, ermöglicht nicht nur problemlos Praktika oder Forschungsaufenthalte im Ausland, sondern auch den Wechsel des Studienlands zwischen Bachelor- und Masterstudium.

Lina Loidolt integrierte sogar einen dritten Standort in ihre Studienlaufbahn. Sie verband ihr Bachelorstudium der Koreanologie in Wien mit einem einjährigen Aufenthalt in Seoul, wo die Universität Wien ein Joint-Study-Programm mit der Korea University betreibt. Nach dieser Zeit wollte die frischgebackene Bachelor-Absolventin ihre persönlichen Studienschwerpunkte durch einen passenden Masterabschluss im Ausland ergänzen und landete in London. Loidolt wurde 2015 in das Masterstudium International Peace and Security des renommierten King's College aufgenommen. „Ich hatte das Glück, dass England damals noch in der EU war, und brauchte deshalb keine Aufenthaltsgenehmigung“, sagt Loidolt. „Ich musste eigentlich nur einen Koffer packen und nach London fliegen. Das King's College war sehr hilfreich und hat mir bei der Wohnungssuche geholfen.“

Lange Vorlaufzeiten

Hürden habe es eher zuvor im Aufnahmeverfahren gegeben, dessen Anforderungen ähnlich jenen zweier anderer Universitäten gewesen seien, an denen sie sich beworben habe, nämlich der niederländischen Universität Leiden sowie des Science Po in Paris. „Ich musste ein Motivationsschreiben und drei Empfehlungsschreiben sowie einen bestimmten Notendurchschnitt vorweisen“, sagt Loidolt. „Das mit dem Notendurchschnitt war sehr schwierig, da ich mein Studium noch nicht abgeschlossen hatte, als ich mich für den Master bewerben musste – und da die Notengebung zwischen Österreich, England, den Niederlanden und Frankreich sehr verschieden war.“

Von langen Vorlaufzeiten im Bewerbungsverfahren für Masterstudiengänge berichtet auch der Deutsche Michael Winter, der seit Herbst 2020 an der Universität Graz Global Studies studiert. Nach einem Bachelorstudium der Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg wünschte sich Winter ein Nachhaltigkeitsstudium für den Masterabschluss. Er habe im Frühjahr des letzten Bachelorjahrs in Nürnberg einige Programme ins Auge gefasst. „In Schweden hätte ich zehn oder elf Monate vor Studienbeginn Kontakt aufnehmen müssen. Da war ich im Frühjahr zu spät dran, um im Herbst beginnen zu können.“

Eine Frage der Auslegung

Für den Bildungsforscher und Juristen Werner Hauser, Professor an der Fachhochschule Joanneum sowie an der Universität Klagenfurt, sind solche Berichte nichts Neues. Er höre immer wieder von ähnlichen studentischen Erfahrungen, teilweise sogar innerhalb Österreichs. „Das hat vor allem damit zu tun, dass das ECTS-System relativ freibleibend definiert ist und auch bei der Umsetzung in nationales Uni- beziehungsweise Hochschulrecht so gut wie keine Konkretisierungen vorgenommen wurden.“

Damit komme den autonomen akademischen Organen bei der Auslegung ein relativ großer Gestaltungsspielraum zu. Immer wieder gebe es allerdings Versuche in- und ausländischer Hochschulen, die Bedingungen für die gegenseitige Anerkennung von Studien oder Studienteilen in Abkommen relativ detailliert zu regeln, sodass mehr Fairness und Vorhersehbarkeit für die Studierenden gewährleistet werden können. „Das ist allerdings aufwendig, wirkt nur zwischen den beteiligten Hochschulen und muss immer wieder angepasst werden.“

Bei Michael Winter jedenfalls fiel die Wahl auf Graz nicht nur wegen der inhaltlichen Ausrichtung des Masterstudiengangs Global Studies, sondern auch aufgrund der unkomplizierten Bewerbungsphase: „Beim Erstkontakt hatte ich gleich die Studienstelle am Telefon. Das ist nicht immer so. Dann habe ich meine Unterlagen dorthin gemailt und wurde angenommen.“

Kulturelle Unterschiede

Was die allgemeine Studienkultur betrifft, sieht Winter keine grundlegenden Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich. Wie überall sei vieles fall- oder personenabhängig und könne nicht pauschalisiert werden. Zum Beispiel habe er an beiden Universitäten ein sehr familiäres Klima vorgefunden. „An meiner Fakultät in Nürnberg haben wir die Professoren beim Vornamen genannt. Darum war es für mich schön, als wir in Graz von Frau Gelbmann, der Vorsitzenden der Curricular-Kommission, gleich mit den Worten ,Hallo, liebe Erstsemestrige. Ich bin die Ulli‘, begrüßt wurden.“ In anderen Studienrichtungen sei Ähnliches kaum vorstellbar – hier wie dort.

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