Ein 18-Jähriger begeht einen Mord und wird dafür zum Tode verurteilt. Seit 20 Jahren wartet Obie Weathers auf die Vollstreckung seines Urteils. In Briefen an Ai Weiwei erzählt er, wie er seither mit Kunst um sein Leben, seine Würde, seine Geschichte kämpft.
Es ist der 4. Februar 2000. Der Mann hält die Waffe auf die Kellnerin im Lokal Pierce's Ice House in San Antonio/Texas gerichtet. Es ist Freitagabend. Die Stimmung ist zum Zerreißen gespannt. Der Mann, der mit der Waffe zielt, ist gerade einmal 18 Jahre alt. Schwarz, 1,80 groß. Seine krausen Haare sind kurz abrasiert. Aber das sehen die Kellnerin und die anderen Gäste im Raum nicht. Er hat einen Kopfpolsterbezug über das Gesicht gezogen und zwei Löcher für die Augen ausgeschnitten.
Sie hätten nichts zu befürchten, er wolle nur die weißen Gäste ausrauben, sagt er zu den einzigen drei schwarzen Männern im Raum. Los, fordert er die weiße Kellnerin auf, sie solle die Kassa herbringen. Sie gehorcht ihm, doch als sie die Kassa bringt, stolpert sie. In dem Moment eskaliert die Situation. Einer der Männer im Raum, der weiße Barmann Ted Church, 63 Jahre alt, springt auf den Räuber zu und versucht, ihm die Waffe zu entreißen. Der zögert nicht und schießt. Zweimal in den Kopf, einmal in den Bauch. Der Räuber entkommt mit etwas mehr als 200 Dollar. Der getroffene Church wird ins Spital gebracht und mehrfach operiert. Doch er stirbt ein paar Wochen später. Zu schwer waren seine Wunden.
Ein Leben für ein Leben. Der junge Täter wird bereits wenige Tage später festgenommen. Er soll schon davor Raubüberfälle unternommen haben, außerdem wird ihm sexuelle Nötigung vorgeworfen und ein weiterer Mord. Für den wird er allerdings nie verurteilt. Für den Mord an Ted Church schon. Am 13. September 2001, zwei Tage nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York, wird Obie Weathers, zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt, in Texas zum Tode verurteilt.