Monument für die Liquidatoren in Tschernobyl.
Ukraine

Tschernobyl: „Wir OK. Kein Strom“

Die Schutzhülle von Reaktor 4 des 1986 havarierten Atomkraftwerks hält. Sie war konzipiert, einem Tornado standhalten zu können. Von militärischem Beschuss steht nichts im Lastenheft. Eine Reportage.

Ganz egal, wann die Delegation aus London eintraf, Serhij* stand immer auf dem Flughafen Boryspil bereit: früh am Morgen, spät in der Nacht, bei Wind und Wetter – als Fahrer der Abteilung für nukleare Sicherheit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hatte er es sich zur Ehrensache gemacht, den Experten rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen, die im Auftrag der internationalen Gemeinschaft daran arbeiteten, den Ort der Atomkatastrophe von 1986 dauerhaft zu sichern, und dafür die Schutzhülle über den explodierten Reaktor 4 errichteten. Wenn sich die Schiebetür zur Ankunftshalle öffnete, war Serhij schon da, seine Handgelenktasche fest im Arm und ein warmes Lächeln im Gesicht: „Willkommen in Kiew“, waren stets seine ersten Worte. Ein formeller Händedruck wurde über die Jahre zu einer herzlichen Umarmung.

Schon auf dem Weg zum Auto sprudelte es nur so aus ihm heraus. Der Präsident? Ein Gauner. Das Parlament? Eine Versammlung von Kriminellen. Die Lebenshaltungskosten? Eine Katastrophe. Aber das Leben? Wunderbar! Auf der Autobahn nach Kiew drückte Serhij frohgemut aufs Gaspedal, bremste gewagt ein paar westliche Luxuslimousinen aus, bevor er den Wagen vor einer Radarfalle brutal zusammenstauchte. Für sich selbst träumte er von einem Škoda Superb, den er „Super B“ nannte: „Ein elegantes Auto, von Volkswagen gebaut. Deutsche Qualität.“ Fünf Kinder und eine Frau hat Serhij. Die hätte er alle in den Wagen gestopft, das Radio mit ukrainischer Popmusik laut aufgedreht und wäre mit ihnen ab in den Süden zum Urlaub ans Meer gefahren.

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