Ai Weiwei blickt zurück auf seine Haft und auf seine Kindheit im Erdloch eines Arbeitslagers. Und er rechnet mit der Kommunistischen Partei ab: „Das größte Monster, das Menschen je erschaffen haben.“
Schon bald nach Ihrer Geburt schickte das kommunistische Regime Ihren Vater in die Verbannung, zuerst in den eisigen Nordosten Chinas und dann an den Rand einer Wüste in den Nordwesten des Landes, nach Xinjiang. Dort, in „Klein-Sibirien“, verbrachten Sie fünf Jahre Ihrer Kindheit im Arbeitslager. Wie hat diese Erfahrung Ihre Persönlichkeit geformt?
Ai Weiwei: Mein Vater war ein sehr angesehener Dichter. Man nannte ihn den Prinzen der chinesischen Literatur. Aber 1957 begann das Regime, ihn als Rechtsabweichler und antikommunistischen Volksfeind zu kritisieren. Er bekam den höchsten antirevolutionären Stempel verpasst, obwohl er ein Genosse von Mao Zedong, Zhou Enlai und Xi Zhongxun, dem Vater des heutigen Staatspräsidenten, war. Zehn Jahre später wurde er Opfer der Kulturrevolution.
Schämte sich Ihr Vater dafür, in Verruf geraten zu sein?
Er war total am Boden zerstört und konnte es nicht glauben. Er war ein Revolutionär im Herzen, aber kein Hardcore-Kommunist. Die Partei hatte ihn absorbiert, weil er großen Einfluss auf die Jugend ausübte. Mein Vater wollte als Teil einer neuen Bewegung die alte Gesellschaft verändern. Und dann übernahmen die Kommunisten das ganze Land, und er wurde Teil des Establishments. Doch bald kritisierte man ihn dafür, dass er die neue Regierung nicht mit derselben Leidenschaft huldigte wie er die alte gegeißelt hatte. Mein Vater war plötzlich leiser geworden. Denn ihm lag es nicht, die Herrscher zu loben. Ihn trieb das Mitleid mit den Unterdrückten und ungerecht Behandelten an.