Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja kritisiert Lukaschenkos Beteiligung am Angriffskrieg des Kreml und hofft auf einen Sieg der Ukraine. Dieser könnte auch das Regime in Minsk erschüttern.
Mit welchen Gefühlen blickt die belarussische Gesellschaft auf den Krieg in der Ukraine? Wo liegen die Sympathien – in Kiew oder in Moskau?
Swetlana Tichanowskaja: Kein einziger Belarusse rechnete damit, dass es so einen Krieg geben könnte. Nach den Krim-Ereignissen war zwar das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland sehr angespannt; aber von belarussischer Seite gab es ja keine Ansprüche. Unsere Beziehungen zur Ukraine waren immer sehr freundschaftlich. Zudem verbinden viele Bewohner verwandtschaftliche Beziehungen. Dass von Belarus aus Raketen auf die Ukraine abgeschossen werden, kann unsere Gesellschaft überhaupt nicht verstehen und akzeptieren.
Warum lässt Machthaber Alexander Lukaschenko diese Eskalation zu?
Lukaschenko lässt es zu, um an der Macht zu bleiben. So bezahlt er für die russische Unterstützung nach der Wahlfälschung im Jahr 2020. Lukaschenko, der sich immer als Garant der Souveränität inszenierte, hat diese nun verkauft. Das belarussische Regime hat keine Kontrolle über die russischen Soldaten im Land. Schlimmer noch: Belarus könnte als aktiver Teilnehmer in den Konflikt hineingezogen werden – mit dem Ziel, das Land mit Blut zu beflecken.