Will Smith ohrfeigte Komiker Chris Rock für einen Witz über seine Frau. Jane Campion wurde als beste Regisseurin ausgezeichnet, das Gehörlosen-Drama „Coda“ war der Gewinner des Abends.
In der Nacht auf Montag wurden im Dolby Theatre in Los Angeles zum 94. Mal die wichtigsten Preise der US-Filmbranche vergeben. Doch dass die Gala erstmals von einem weiblichen Trio (Amy Schumer, Regina Hall und Wanda Sykes) moderiert wurde und mit der Neuseeländerin Jane Campion die erst dritte Frau einen Oscar als beste Regisseurin ("The Power of the Dog“) erobern konnte - all das geriet angesichts einer Attacke von US-Schauspieler Will Smith in den Hintergrund.
Smith stürmte auf die Bühne und schlug den überraschten Komiker Chris Rock, der einen unpassenden Scherz über den kahlgeschorenen Kopf von Smiths Frau (sie leidet an Haarausfall) gemacht hatte, mit Wucht ins Gesicht. Nach dem Schlag wurden die TV-Bilder kurz schwarz, es herrschte Verwirrung. War das alles nur gespielt? Es sah nicht so aus. Kurz darauf sah man einen schimpfenden Will Smith.
Doch die Show musste weiterlaufen und so wurden die Oscars weiter vergeben - auch an Smith selbst, der als bester Hauptdarsteller für seine Rolle in „King Richard“ geehrt wurde. Seine hochemotionale Dankesrede wirkte wie eine versuchte Verteidigung seiner Tat. Er sei da, um zu beschützen, erklärte er in einem teilweise verwirrten Gestammel. "In diesem Geschäft musst du es aushalten, dass Menschen respektlos zu dir sind und du musst trotzdem lächeln", betonte Will Smith weinend in seiner tränenreichen Rede.
„Coda“ der Gewinner des Abends
Die eigentliche Sensation ging angesichts des Vorfalls unter: Das von Apple TV+ produzierte Gehörlosen-Coming-of-Age-Drama „Coda“ konnte alle drei (bester Film, bester Nebendarsteller, bestes adaptiertes Drehbuch) seiner Nominierungen in Oscars ummünzen. Das Science-Fiction-Epos „Dune“ gewann insgesamt sechs Oscars, alle in technischen Kategorien. Der siebenfach nominierte Film „Belfast“ von Regisseur Kenneth Branagh hingegen musste sich mit bloß einem Oscar für das beste Original-Drehbuch begnügen.
Jessica Chastain gewann den Oscar als beste Hauptdarstellerin für ihre vielseitige Rolle in „The Eyes of Tammy Faye“. (>> Alle Sieger bei den Oscars finden Sie hier)
Beste Nebendarsteller: Ariana DeBose und Troy Kotsur
Ariana DeBose wurde für ihre Rolle der Anita (für die übrigens auch Rita Moreno im Original vor 60 Jahren die begehrte Goldstatuette erhielt) wie erwartet als beste Nebendarstellerin geehrt, es war der einzige Oscar für das Steven-Spielberg-Musical-Remake "West Side Story". „Sie sehen eine offen queere Woman of Color, eine Afro-Latina, die ihre Stärke und ihr Leben durch die Kunst gefunden hat“, sagte sie in ihrer Dankesrede.
Im Jahr 1987 erhielt Marlee Beth Matlin als erste gehörlose Schauspielerin den Oscar für ihre Rolle in „Gottes vergessene Kinder“. 35 Jahre später nahm der ebenfalls gehörlose Troy Kotsur den Oscar für seine beeindruckende Darstellung in „Coda“ entgegen. Kotsur und Matlin spielen in dem Film die Eltern eines Mädchens, das als einziges Familienmitglied nicht gehörlos ist und Musikkarriere machen will. Kotsur bedankte sich bei seinem Vater, von dem er die Gebärdensprache gelernt habe und der seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist.
Gestrafftes Programm
Im Kampf gegen sinkende Einschaltquoten - 2021 hatten gerade einmal zehn Millionen US-Zuseher die Gala verfolgt - entschieden sich die Veranstalter für eine Straffung des Programms. Die Preisverleihung von acht "handwerklichen" Kategorien (Schnitt, Make-up und Frisuren, Filmmusik, Szenenbild, Dokumentar-Kurzfilm, animierter Kurzfilm, Kurzfilm sowie Ton) wurde voraufgezeichnet, was im Vorfeld der Gala für Kontroversen gesorgt hatte. Der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro, der 2018 den Oscar für "Shape of Water" erhielt und dessen Noir-Drama "Nightmare Alley" heuer als in der Kategorie „Bester Film“ nominiert war, tat bei seiner Dankesrede für den "Filmmaking Achievement Award" Anfang März seinen Unmut kund. Er erinnerte daran, dass Filme immer Gemeinschaftsprojekte seien: "Wir machen sie nicht alleine, wir machen sie gemeinsam."
Als Folge war auch die Prominenten-Dichte auf dem Roten Teppich eher schütter. Denn viele Stars drängten früher als üblich ins Dolby Theatre, um aus Solidaritätsgründen die Preisträger der ausgelagerten Kategorien zu ehren.
Blaue Bänder mit der Aufschrift „With Refugees“
Ein Thema, an dem auch die Oscar-Verleihung nicht vorbeikam, war der Krieg in der Ukraine. Einige Filmstars zeigten sich mit blauen Bändern mit der Aufschrift „With Refugees“, um ihre Solidarität mit dem Land zu demonstrieren. Schauspieler Jason Mamoa trug ein blau-gelbes Einstecktuch. Politische oder emotionale Reden wurden allerdings vermieden, von den Veranstaltern eine Schweigeminute abgehalten. Bloß Regie-Legende Francis Ford Coppola, der mit seinen Schauspielern Robert De Niro und Al Pacino anlässlich des "Paten"-Jubiläums auf der Bühne erschien, verabschiedete sich mit einem „Vive Ukraine!“.

Schauspieler Sean Penn hatte sich zuvor in einem CNN-Interview für einen Boykott der Gala ausgesprochen, falls diese ohne Zuschaltung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij stattfinden sollte. Er sprach vom „schamlosesten Moment in der Geschichte Hollywoods“ und drohte damit, seine beiden Oscars einzuschmelzen. Bleibt abzuwarten, ob er seine plakative Ankündigung demnächst in Taten umsetzt.
Frischgebackener Oscar-Gewinner bald in Wien
Billie Eilishs „No Time to Die“ zum gleichnamigen James-Bond-Film wurde als bester Song ausgezeichnet. Eilish setzte sich damit auch gegen Beyonce („Be Alive“) durch.
Der deutsche Filmkomponist Hans Zimmer gewann nach "König der Löwen" mit dem Soundtrack zu "Dune" seinen zweiten Oscar. Zimmer wird am 12. April in der Wiener Stadthalle auftreten und im Zuge seiner Europa-Tournee seine besten Filmsongs zum Besten geben.