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Und Riccardo Muti debütiert in Graz

Semyon Bychkov und die Tschechische Phiharmonie präsentieren Gustav Mahlers Sechste mit ihren schicksalshaften Hammerschlägen.
Semyon Bychkov und die Tschechische Phiharmonie präsentieren Gustav Mahlers Sechste mit ihren schicksalshaften Hammerschlägen.(c) Musikverein
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Im Gespräch. Musikvereinsintendant Michael Nemeth über die Saison 2022/23, mit noch breiterer stilistischer Palette, Stars von heute und morgen, Abschieden und Erstauftritten.

Die Saison 2022/23 des Musikvereins für die Steiermark steht unter dem Motto „Begegnungen“?

Durch die tiefen Corona-Einschnitte und Zwangspausen haben wir erlebt, dass es nicht selbstverständlich ist, gemeinsam im Konzert großer Musik begegnen zu können. Wir spüren die Lust des Publikums, wiederzukommen, zugleich aber auch, dass die Entscheidung dafür knapper fällt. In der Musikbranche waren wir lange Fristen gewohnt, in der Planung wie im Verkauf, das hat sich stark verändert. Mit den jetzigen Öffnungsschritten sind auch alle wirtschaftlichen Corona-Hilfen pass´e, das heißt, wir müssen zusammen mit den Künstlern die Menschen davon überzeugen, dass der Konzertsaal ein wesentlich sicherer Ort ist als Bars oder Geschäfte. Wir empfehlen also weiterhin, bei uns eine FFP2-Maske zu tragen. Das Musikerlebnis macht alle etwaigen Unannehmlichkeiten wett. Das Motto „Begegnungen“ haben wir gewählt, weil wir in der nächsten Spielzeit unser musikalisches Angebot auf eine bisher unbekannte Breite strecken, in allen Zyklen: Das Publikum kann also noch mehr verschiedenen Genres, bekannten und unbekannten Werken, aufregendem Nachwuchs und großen Stars begegnen.

Wie sieht das im Detail aus?

„Musikverein plus“ besteht aus Veranstaltungen abseits des regulären
Abo-Betriebs und will dezidiert auch Menschen einladen, die bislang noch nicht bei uns waren oder länger nicht: junge Leute und auch solche mit speziellen Bedürfnissen, die etwa eine Begleitperson brauchen, am Abend ungern weggehen oder ähnliches. Deshalb haben wir das musikalische Angebot untertags erweitert. Dazu zählen fünf Generalproben der Grazer Philharmoniker, die zu günstigen Preisen mitzuerleben sind, außerdem einstündige „Salonkonzerte“ an Nachmittagen, in unserem „Blauen Salon“. Dabei schauen wir mit jungen Ensembles über den klassischen Tellerrand hinaus.

Was hat man sich unter dem „Klassischen Aperitif“ vorzustellen, den Sie servieren wollen?

Nichts Alkoholisches, aber hoffentlich etwas Lustiges, Verlockendes: Kurzkonzerte, die wir vor dem Abonnement auf der Bühne im großen Saal anbieten. Die genannten jungen Ensembles bekommen eine „Carte blanche“ für 10 bis 15 Minuten Musik, eine halbe Stunde vor Beginn des Hauptprogramms. Wer also schon da ist und zuhören mag, kann sich damit auf die jeweiligen Salonkonzerte neugierig machen lassen – mit eben nicht nur Klassik.

Was erwartet die herkömmlichen Klassik-Fans?

Wir setzen unsere gewohnten Abonnementreihen fort, wollen aber auch mit flexibler gestalteten Varianten der erhöhten Kurzfristigkeit Rechnung tragen: etwa durch Auswahl von 5 aus 10 Veranstaltungen, oder durch Abos zum Kennenlernen. Ein Festkonzert-Zyklus besteht aus außergewöhnlichen Veranstaltungen, etwa mit einem überaus prominenten Debütanten: Riccardo Muti wird erstmals bei uns zu Gast sein, und zwar zusammen mit den Wiener Philharmonikern, mit denen uns ja spätestens seit den Zeiten Karl Böhms eine enge Zusammenarbeit verbindet. Dazu kommen gleich zwei halbszenische Opernproduktionen. Die eine, Mozarts „Entführung aus dem Serail“, erwächst orchestral wieder aus der Sommerakademie der Wiener Philharmoniker, das Sängerensemble wird aus den besten Stimmen aus österreichischen Musikuniversitäten zusammengestellt. Und dann erlauben wir uns nach tristen Pandemie-Jahren und in nach wie vor nicht unbedingt rosigen Zeiten auch bewusst einen Spaß und präsentieren die „Fledermaus“ – in einer ganz neuen Besetzung: mit Christiane Karg und Mauro Peter, Emmanuel Tjeknavorian dirigiert. Er hat bekanntlich als gefeierter Geiger begonnen und ist für mich einer der vielversprechendsten jungen Dirigenten, weshalb ich ihn als Residenzdirigenten auch dreimal zusammen mit den Grazer Philharmonikern präsentiere.

Im Orchesterprogramm scheint sich bereits das Bruckner-Jahr 2024 anzukündigen ...

Ich möchte zum Jubiläumsjahr bewusst keinen Bruckner-Overkill riskieren, sondern beginne lieber früher mit einem Bruckner-Schwerpunkt, den wir dafür programmatisch interessant einbetten.

Diesmal stehen die Symphonien 2,6, 7 und 9 an, unter anderem mit Markus Poschner, der zusammen mit Gabriel Feltz und dem Grazer Chefdirigenten Roland Kluttig ein wunderbares Team für Bruckner bildet. Dazu öffnen wir die musikalischen Schubladen rund um Bruckner, dazu gehört natürlich Brahms: das „Deutsche Requiem“ u.a. mit Florian Boesch, Chorus Sine Nomine und L?Orfeo Barockorchester unter Johannes Hiemetsberger, die Symphonien Nr. 1 und 2 mit den Wiener Symphonikern und Andr´es Orozco- Estrada. Außerdem Schumanns Zweite und mit Semyon Bychkov und der Tschechischen Philharmonie auch Mahlers Sechste. An prominenten Solisten spielen Markus Schirmer, Benjamin Schmid und Danjulo Ishizaka Beethovens Tripelkonzert, Daniel Ottensamer Webers 2. Klarinettenkonzert. Außerdem bestreiten die Grazer Philharmoniker in Kammerorchesterformation
„Philharmonische Soir´een“, die auf drei musikalische Zeit-Reisen entführen. Mit Roland Kluttig geht es nach Wien ins Finde-Si`ecle. Rainer Honeck, Erster Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, ist Solist in Mozarts Violinkonzert Nr. 1 und erarbeitet vom Konzertmeisterpult aus auch dessen umfangreichstes, anspruchsvollstes Divertimento Nr. 17. Und Tjeknavorian ist Reiseführer auf einem klingenden Italien-Trip.

Bleiben noch die Zyklen Kammermusik, Solisten und Liederabende.

Leider nehmen sowohl das Emerson String Quartet als auch, angeblich,
Martin Grubinger ihren Bühnenabschied, er natürlich mit einer Multipercussion-Show. Das Minetti Quartett feiert 20. Jubiläum, das Grazer Oberton String Octet spielt die Urfassung des Mendelssohn-Oktetts und eines von Niels Wilhelm Gade; Vision String Quartet und Goldmund Quartett stehen für eine preisgekrönte junge Generation, und das Ensemble Simply Tango lässt uns eine „Sommernacht in Buenos Aires“ erleben. An Pianisten debütiert Igor Levit, Daniil Trifonov und unser Ehrenmitglied Rudi Buchbinder kehren wieder. Günther Groissböck kommt mit Liedern von Schumann, Bruckner, Wolf, Mahler und Hans Rott. Und die französische Koloratursopranistin Sabine Devieilhe singt eine Hommage an Wien.

Intendant Michael Nemeth über die neue Musikvereins-Saison.
Intendant Michael Nemeth über die neue Musikvereins-Saison.(c) Oskar Schmidt

Auf einen Blick

Michael Nemeth, geboren 1978 in Graz, ist seit 2008 Generalsekretär und Künstlerischer Leiter des Musikvereins für Steiermark (gegründet 1815). Dessen 208. Spielzeit umfasst mit mehr als 50 Projekten ein umfangreiches Repertoire von der Barockmusik bis zur Moderne mit wohlbekannten Stars und vielversprechendem Nachwuchs. Talentförderung, Internationalität und Gewinnung neuer Publikumsschichten sind zentral, das Programm geht in Vielfalt und Flexibilität auf die Wünsche und Bedürfnisse des Publikums ein.

www.musikverein-graz.at

Aperitifs, Salonkonzerte und Soir´een

Große, neue Namen, innovative und bekannte
Formate.

Herausragende Begegnungen stehen auch noch für den Rest der laufenden Saison an: mit Christian Thielemann und der Staatskapelle Dresden (Bruckners Neunte, 28.5.); mit Mirga Graˇzinyt˙e-Tyla und dem City of Birmingham Symphony Orchestra, die Weinberg, Tschaikowsky und mit Patricia Kopatchinskaja auch Strawinskys Violinkonzert mitbringen (28./29.3); mit dem Meisterpianisten Grigory Sokolov (1.4.), mit Liederabenden von Openstars wie Asmik Grigorian (3.6.) und Piotr Becała (27.6.) zum Beispiel.

Aber die Spielzeit 2022/23 verheißt auch ungewöhnlichere Zusammenkünfte, neben dem traditionsreichen Stefaniensaal und dem Kammermusiksaal auch im „Blauen Salon“, der dritten Spielstätte des 1815 gegründeten Musikverein für Steiermark. Da gibt es Klänge abseits des Üblichen, zum Beispiel einen „Salon für Robert Stolz“, aber auch Volksmusik vom Balkan bis Skandinavien – mit jungen Ensembles auf dem Sprung zur internationalen Karriere. Das soll ein jüngeres Publikum ansprechen – aber nicht nur, sagt Michael Nemeth: „Wir laden Kinder und Jugendliche ein, aber wollen alle, die es noch nicht sind, zu Stammgästen machen“: Als „klassischer Aperitif“ machen „Salon“-Kostproben vor Abokonzerten Lust auf mehr. Die Reihe „Amabile“ ist bewusst generationsübergreifend konzipiert: „Da gibt es eine Klezmer-Party, eine Reise nach Italien und sogar Humperdincks ,Hänsel und Gretel‘ in der Urfassung, als Liederspiel mit Klavier. Außerdem bieten wir Workshops für alle Schulstufen und mehr an.“

Prominenter Debütant

Doch auch dem bisher treuen Klassik-Publikum steht wieder Außergewöhnliches ins Haus. Pro Saison werden 20 Orchesterkonzerte, drei Philharmonische Soir´een, acht Kammerkonzerte, fünf Liederabende, vier Solistenkonzerte, vier Familienkonzerte, fünf öffentliche Generalproben, vier Salonkonzerte, fünf Festkonzerte und mehr geboten. Unter anderem auch mit einem besonders prominenten Debütanten: Riccardo Muti wird erstmals nach Graz kommen, und die Wiener Philharmoniker bei Werken von Hindemith, Mozart und Mendelssohn dirigieren. Christiane Karg und Mauro Peter sind nicht nur erstmals als Rosalinde und Eisenstein in einer halbszenischen „Fledermaus“ zu erleben (Emmanuel Tjeknavorian steht am Pult von RSO Wien und Schoenberg Chor), sondern geben auch Liederabende: die Sopranistin mit der Harfenistin Annaleen Lenaerts, u.a. mit den „Vier letzten Liedern“; der Tenor mit Helmut Deutsch am Klavier. Und auch die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor feiert die 95 Jahre ihres Bestehens in Graz.


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