Mahlstromantrieb

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Die Zukunft beschert uns vegane Laptops mit smarten Fahr-Applikationen und nachhaltiger Over-The-Air-Maintenance.

(c) David Staretz
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Ein Auto, das Ocean heißt, naja, warum nicht. Jetzt bloß keine Anspielungen auf Boden unter den Füßen etc., denn der Mut von Privatunternehmern, sich ins Getriebe der Markenwelt zu werfen, noch dazu in den SUV-Mahlstrom, ist zu honorieren.

Der Däne Henrik Fisker weiß, wie Dinge schieflaufen können, zumal aus eigener Erfahrung. Er weiß auch, wie man Prozesse gegen Elon Musk gewinnt, so etwas ist heutzutage möglicherweise das beste Erfolgsrezept.
Es ging um den Vorwurf der Industriespionage. Fisker hat bei Tesla an einem Projekt für einen seriellen Hybrid-Viertürer gearbeitet. Nach seinem kurzfristigen Abgang baute er selber sowas, ein brachial elegantes Coupé namens Fisker Karma.

Und gerade, als alles schiefzulaufen drohte und die Chinesen nahmen, was noch aus der Konkursmasse zu holen war, da blieben offenbar doch noch ein paar Millionen hängen. Auftritt Dr. Geeta Gupta, nunmehr verheiratete Gupta-Fisker, eine Finanz-Koryphäe mit Talent zum Analytischen, wie sie selbst sagt. Als Dream-Power-Team zusammen mit Tochter Natasha aus früherer Ehe bestreiten sie nun Fisker Inc., das gleich einmal einen fulminanten Start an der Börse hinlegte, als es beim IPO (Initial Public Offering) im Oktober 2020 mehr als eine Milliarde Dollar lukrieren konnte. Der Aktienkurs stieg seit dem Börsengang um etwa 56 Prozent – was Henrik und Geeta zu Milliardären machte: Jeder besitzt nun ein Vermögen von rund 1,1 Milliarden Dollar. Sie machen sich aber wenig aus Geld, beteuern sie, es gehe vornehmlich um das Produkt und die Nachhaltigkeit. Dass sie sich durch Aktienverkäufe gleich einmal eine tolle Villa gekauft habe, gehört wohl eher in die Regenbogenpresse.

„Wir sind wie zwei Gehirnhälften“ , wird Dr. Gupta-Fisker von Forbes zitiert, „Henrik, die rechte Seite, er ist für das Kreative zuständig, ich bin die datengesteuerte, analytische Seite. Kontrolliere die strikte Einhaltung der Kosten, damit sich der angepeilte Verkaufspreis von 38.000 Dollar ausgeht.“ (Bei uns in Österreich wohl eher 45.000 Euro – ehrgeizig genug.)

Für die Europapremiere des neuen SUV wählten die Fiskers eine 5G-Veranstaltung, die WMC (World Mobility City) von Barcelona. Ehe wir uns aber in die Welt der Androids, Qualcomms, Oppos und Snapdragons wagen, hilft noch eine fundamentale Erkenntnis zur Hardware-Einordnung: Der Ocean wurde und wird in Graz bei Magna Steyr konstruiert, zertifiziert und gebaut, die Werkzeuge sind auf 50.000 Fahrzeuge ausgelegt. Das ist freilich ein Commitment, das zu überzeugen weiß. Denn, wie Fisker selbst plausibel macht: „Sie wollen schließlich nicht, dass sie auf dem ganzen Krempel sitzen bleiben, den Werkzeugen, den Fließbändern, den ganzen Vorleistungen. Das sind auch für Magna enorme Investitionen, auf die sie sich da einlassen.“

Das Auto auf der Drehscheibe nun im gleißenden Scheinwerferlicht vor massiver Ozeanwelle ist gefällig anzusehen, gut proportioniert nach moderner Sprachregelung, von hoher Taille, venturihafter Heckverjüngung, massiger Front mit stilisierten Lufteinlässen und einem magischen Heck mit Lichtband, worunter sogar zwei stilisierte Auspufföffnungen angedeutet sind. (Bloß an der offenen Heckklappe haut sich ständig wer den Kopf an, weil sie nicht hoch genug lüpft.)

Sonst aber: Design aus erster Hand, denn Henrik ist Absolvent einer Designakademie in der Schweiz und hat bei BMW und Aston Martin beachtliche Entwürfe geliefert (und Urheberprozesse gewonnen). Nur die SUV-übliche Dachreling fehlt, weil man hier einen Schritt voraus machen wollte mit dem dicht bestückten Solardach, das für bis zu zweitausend Gratiskilometer pro Jahr gut sein soll. Kann man glauben, muss man aber nicht. Wie auch die in den Raum gestellten 630 Kilometer Reichweite. Fisker legt trocken nach: „Bimodale Funktion, Sie können mit dem Auto auch Freunden Strom für ihr Auto spenden oder ins Hauskraftwerk einspeisen.“ Dann führt er die 17-Zoll-Rotating Screen in Cockpit-Mitte vor, wahlweise Hoch- oder Querformat wie beim Smartphone.

Allerdings, offenbar der Verspätung des Konzepts geschuldet, erscheint das Material- und Ausstattungsniveau wie von 2018 etwa, speziell was Lenkrad-Scroller betrifft oder die Knopfgrafiken. Auch ein HeadUp-Display fehlt. Hier merkt man, wie schnell die Zeit vergeht. Immerhin fahren die planen Türgriffe bei Annäherung aus.

Im Weiteren wird fiskerseits auf umfassende Nachhaltigkeit verwiesen: Felgen aus recycletem Karbon, Sitze aus Fischernetzen oder PET-Flaschen. Alles vegan, alles umweltschonend, alles CO₂-neutral – wie das ganze Magna-Werk in Steyr, beteuert Fisker.

275 PS oder in der Topversion mit Dual-Engine 540 PS soll das SUV leisten und bis zu 1,8 Tonnen Anhängelast schleppen können.
Wann der Ocean nun fertig wird? Man sei genau auf Plan, heißt es ungeachtet der Tatsache, dass der Wagen schon längst im Verkauf stehen sollte, nach ersten Ankündigungen von 2019. Immerhin 34.000 präsumtive Kunden haben 250 Dollar beangabt, um bei der Bestellung vorne mit dabei zu sein, wenn am 17. November die ersten Demo-Fahrzeuge in Showrooms, im darauffolgenden Frühjahr die ersten Ausliefermodelle bei, ja wo nun, stehen sollen. Alles vollzieht sich online und in ausgesuchten Edel-Hubs, wo sich Digitalzögerliche ein Auto direkt am Terminal konfigurieren und bestellen lassen können. Für Wien ist noch keine Räumlichkeit festgelegt, als Partner für Auslieferung und Maintenance wird die Firma Lagermax genannt.
Salonsteirer als Hipster Verweist auf eine Zukunft, die noch einzulösen wäre. Beste Voraussetzung: Built in Graz.

Name: Fisker Ocean
Preis: ab ca. 45.000 Euro
Motor: 1 oder 2 E-Motoren
Leistung: 275 bis 540 PS
Gewicht: ca. 2600 kg
0–100 km/h: 3,9 Sekunden (Modell Extreme)
Vmax: n/a
Verbrauch: n/a

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