Oscar-Abriss

Oscars: Frauenpower im Schatten von Männerwut

Von l. n. r.: Amy Forsyth, Emilia Jones, Oscargewinnerin Siân Heder, Eugenio Derbez.
Von l. n. r.: Amy Forsyth, Emilia Jones, Oscargewinnerin Siân Heder, Eugenio Derbez.(c) IMAGO/Picturelux
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Ohne Will Smiths Auszucker wären die Oscars dieses Jahr eher positiv aufgefallen: Der Siegerfilm „Coda“ setzte einen Inklusions-Meilenstein.

Haben Sie das gesehen? Wie Superstar Will Smith den Komiker Chris Rock sonntagnachts vor laufenden Kameras abgewatscht hat? Und wie halb Hollywood im Anschluss zeitweilig so tat, als wäre nichts passiert? Unfassbar. Moment mal – da war doch noch etwas . . . Ach ja, die Oscarverleihung!

Der 53-jährige Smith, der nach seinem Auszucker übrigens als bester Hauptdarsteller gewürdigt wurde, hat mit seiner Handgreiflichkeit nicht nur sich, er hat auch der Oscar-Academy keinen Gefallen getan – ungeachtet des Medienrummels. Denn die Oscars, die seit Jahren an schwindender Publikumsrelevanz leiden, werden heuer vor allem als Themenspender für Klatschblätter in Erinnerung bleiben und weniger als seriöses Branchenevent mit Vorbildwirkung.

Dabei wären die 94. Academy Awards sonst eher positiv aufgefallen: wegen der Zurückhaltung im politischen Botschaftseifer. Und wegen der markanten Präsenz von Frauen auf der Bühne und unter den Preisträgern. Die Comediennes Regina Hall, Amy Schumer und Wanda Sykes erfreuten nach drei Oscar-Editionen ohne Moderation als gewagt g'feanzte Conférencieusen. Eine schwarz gewandete Billie Eilish sorgte mit der Performance ihres prämierten Titelsongs zum James-Bond-Film „No Time To Die“ für Gänsehaut.

Jessica Chastain sprach sich nach ihrer Auszeichnung für die Hauptrolle in „The Eyes of Tammy Faye“ gegen diskriminierende Gesetzgebung aus, die Neuseeländerin Jane Campion wurde für ihren Antiwestern „The Power of the Dog“ verdientermaßen mit dem Regiepreis bedacht. Auch die Trophäe für den „Besten Film“ ging – zum erst dritten Mal in der Geschichte – an das Werk einer Frau: Die 44-jährige US-Amerikanerin Siân Heder erhielt den Preis für das Drama „Coda“. Ihr adaptiertes Drehbuch – basierend auf dem französischen Film „La Famille Bélier“ – wurde ebenfalls geehrt.

Die Statuetten für „Coda“ (kurz für „child of deaf adults“) stellen in puncto Inklusion einen Hollywood-Meilenstein dar: Zwar erntete Marlee Matlin, eine der Darstellerinnen des Films, schon 1987 für „Gottes vergessene Kinder“ als erste Gehörlose einen Oscar. Doch die Würdigung „Codas“, der Leben und Probleme gehörloser Menschen in den Mittelpunkt stellt, setzt ein besonderes Zeichen der Anerkennung. Troy Kotsur, für seine Rolle in „Coda“ als bester Nebendarsteller prämiert, dankte Heder in Gebärdensprache dafür, eine Brücke zwischen hörender und gehörloser Welt geschlagen zu haben. Hier wurden die Oscars ihrem Ruf als Repräsentationsplattform der Popkultur gerecht.

Stars zeigen Flagge mit Tuch und Band

Auf großes Betroffenheitspathos im Hinblick auf den Ukraine-Krieg wurde indessen verzichtet. Die Solidarität blieb dezent – es gab eine Schweigeminute samt Spendenaufruf, Stars zeigten Flagge per Bändchen und Stecktuch, Francis Ford Coppola rief nach seinem Auftritt anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des „Paten“ aus: „Vive Ukraine!“

Dass „Coda“ von Apples Streaming-Arm ins Rennen geschickt wurde, schlägt kaum Wellen. Nur nicht Netflix, scheint die Branchendevise zu sein. Die Firma gilt noch immer als Feinbild des „alten“ Hollywood–Systems, das nichts mehr fürchtet als Zuschauerschwund. Wie die Oscars, die sich heuer mit einem halbherzigen Publikumspreis den jüngeren Zielgruppen anbiederten. Diese haben nun vor allem Smiths Wutanfall im Blick: ein ziemlich unansehnliches Aushängeschild für die Traumfabrik.

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