Altbau: Oldtimer auf dem Prüfstand

(c) Bilderbox (Erwin Wodicka)
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Es ist einfach, dem Charme von Flügeltüren und Parkettböden zu erliegen. Beim Checken der Substanz sollte man die rosarote Brille aber ganz schnell abnehmen.

Sie haben Charme, sie haben Stil, sie sind etwas Besonderes: Oldtimer. Und das gilt nicht nur für Autos. Auch die Oldies unter den Wohnungen haben eine treue Fangemeinde – dank ihrer Flügeltüren, wegen des Stucks, ihrer Historie. Maria Theresia Zieger, Immobilienexpertin bei der Otto Immobilien Gruppe, gerät beim Beschreiben des „knorrigen Charmes“ einer schönen Altbauwohnung regelrecht ins Schwärmen. „Für Details wie großzügige Entrées, Stuckverzierungen, die Raumhöhe, Holzkastenfenster nehmen Liebhaber Nachteile in Kauf. Etwa die nicht immer vorteilhaften Grundrisse.“ Gerade seit dem Ausbruch der Krise – und dem Trend vom Sparbuch hin ins Grundbuch – sei das Interesse riesig. „Das Angebot kann die Nachfrage kaum decken.“ Der Drang, Geld anzulegen sei so groß, „dass häufig sogar überhöhte Preise bezahlt werden“, meint Johannes Kirchner, der als „Immo-Flüsterer“ Ankaufsberatungen durchführt.

Vieles unter der Oberfläche

Bevor man also wirklich zuschlägt und den Kaufvertrag unterschreibt, empfiehlt es sich daher, genau hinzusehen. Auf rechtliche Aspekte beispielsweise. „Sollen größere Umbauten stattfinden, etwa um zu einer angrenzenden Wohnung durchzubrechen, müssen sämtliche Eigentümer zustimmen“, berichtet Martin Müller, geschäftsführender Gesellschafter von Jelitzka+Partner. Abzuklären gilt es außerdem, ob Sanierungen geplant sind. „Und wie hoch die Reparaturrücklage ist.“

Ein weiterer wesentlicher Aspekt bei Altbauten – egal, ob saniert oder (noch) nicht – ist der Zustand der Bausubstanz innerhalb und außerhalb der Wohnung. „Wie bei einem gebrauchten Auto spielt sich auch hier vieles unter der Oberfläche ab“, sagt Kirchner. Bauteile eines historischen Zinshauses seien häufig schon weit älter als ihre durchschnittliche Lebensdauer. Ein Parkettboden etwa hält laut Nutzungsdauerkatalog der Sachverständigenkammer Steiermark und Kärnten im Schnitt 60 Jahre, Warmwasserleitungen an die 30. Eine Heiztherme gibt nach rund 20 Jahren den Geist auf.

Renovierungskosten abschätzen

Eine Altbau-Checkliste ist daher auch entsprechend lang – schließlich gilt es, das Gebäude vom Dach bis in den Keller zu überprüfen: den Zustand der Steigleitungen, der Wohnungselektrik, der Sanitärinstallationen, um nur einige Punkte zu nennen. „Erst wenn man sich einen Überblick verschafft hat, kann man die Gesamtkosten abschätzen, die in den nächsten Jahren auf einen zukommen – neben dem Kaufpreis sind das zum Beispiel Aufwendungen für eventuelle Renovierungen innerhalb und außerhalb der Wohnung.“

Für eine umfassende Renovierung – samt Änderungen des Grundrisses, Erneuerung von Heizung, Elektrik, Fenstern und Böden – fallen schon einmal zusätzlich 700 bis 800 Euro pro Quadratmeter an, weiß Kirchner. Reicht eine „kosmetische“ Sanierung (Ausmalen der Wände, Schleifen und Versiegeln der Parkettböden, neue Lackierungen an Türen und Fenstern, neue Fliesen) muss man mit rund 300 Euro pro Quadratmeter kalkulieren. Und nicht vergessen sollte man, weiß Müller, bei der Kostenkalkulation die geringere Energieeffizienz, die Altbauten im Vergleich zu neuen Gebäude haben. Diese schlage sich in den Betriebskosten nieder. Auch bei bereits sanierten Objekten gilt: genau schauen. Denn egal, ob Zwischenmenschliches, Auto oder (Altbau-)Wohnung: „In der Verliebtheit übersieht man gern Dinge“, sagt Kirchner.

Ein Tipp: Erkennen lässt es sich am besten im Keller, wie es um die zentrale Hausgasleitung, Elektrosteigleitung, um Bleiwasserleitungen oder Uralt-Kanalrohre steht. „Und außerdem spürt man dort schnell den ,Spirit‘ eines Hauses. Liegt viel Gerümpel herum, kann man auch auf die Stimmung in den Geschoßen darüber schließen.“

Nachweise verlangen

Allerdings sei es für den Laien sehr schwierig zu durchschauen, ob die Arbeiten nur so durchgeführt wurden, dass „außen alles hui ist, innen aber pfui“. Vorsichtig sollten Wohnungsinteressenten speziell bei „Filetierern“ sein, wie Kirchner Bauträger nennt, die Zinshäuser aufkaufen, um sie binnen weniger Monate zu sanieren, zu parifizieren und dann als Eigentumswohnungen zu veräußern. Hier sollte man sich vom Verkäufer einen Nachweis über die Renovierungsarbeiten geben lassen.

Eine komplexe Materie, die Wohnungs-Oldtimer – potenziellen Käufern sollte eines klar sein: Wie bei Autos, die in die Jahre kommen, gibt es auch hier typische Alterungserscheinungen, Erhaltungs- und Reparaturbedarf – nicht nur Zeiten, in denen man Charme und Stil genießt.
www.immo-fluesterer.at,
www.otto.at, www.jpi.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2010)

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