Ungarisches Blatt wirft Paul Lendvai Spitzeltum vor

Ungarisches Blatt wirft Paul
Ungarisches Blatt wirft Paul(c) ORF (Milenko Badzic)
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Einer der profiliertesten Journalisten Österreichs soll das Regime in Ungarn freiwillig mit Informationen versorgt haben. Das behauptet zumindest die Wochenzeitung "Heti Valasz". Lendavi findet das "absurd".

Die ungarische Wochenzeitung "Heti Valasz" hat den aus Ungarn stammenden österreichischen Publizisten Paul Lendvai bezichtigt, ein "freiwilliger Informant" des kommunistischen Regimes gewesen zu sein. Das regierungsnahe, rechtskonservative Blatt zitierte dazu in seiner aktuellen Ausgabe fünf Dokumente aus dem Ungarischen Staatsarchiv in Budapest, die auch online im Faksimile veröffentlicht wurden.

Lendvai als "freiwilliger Informant"?

"Heti Valasz" selbst präzisierte in seiner Online-Ausgabe am Freitag, es habe Lendvai keine Agententätigkeit, sondern vielmehr "freiwilliges Informantentum" vorgeworfen. Während viele Intellektuelle in Ungarn aufgrund von Druck und Erpressung zu "Inoffiziellen Mitarbeitern" des Geheimdienstes geworden seien, habe sich Lendvai "freiwillig mit ungarischen Diplomaten in Wien getroffen, um der kommunistischen Staatsmacht Informationen über eine in Ungarn geplante Oppositionsveranstaltung zu übermitteln", meinte das Blatt mit Berufung auf die gefundenen Papiere.

Die von "Heti Valasz" veröffentlichten Dokumente drehen sich großteils um eine im Oktober 1985 in Budapest geplante Schriftstellertagung der Helsinki-Föderation für Menschenrechte, zu der neben bekannten westlichen Intellektuellen wie Susan Sontag oder Hans Magnus Enzensberger auch osteuropäische Dissidenten wie György Konrad, Jiri Grusa oder Danilo Kis eingeladen waren.

Soll Infos zu Tagung übermittelt haben

Das Programm und die Teilnehmerliste der Tagung habe Lendvai den ungarischen Behörden übermittelt, geht aus einer Mitteilung des Außenministeriums hervor. Ein ungarischer Diplomat berichtet wiederum in einem anderen Dokument, Lendvai habe ihm erzählt, der damalige ORF-Generalintendant Gerd Bacher habe ihn im Vorfeld der Tagung nach Budapest schicken wollen, weil er "einen Skandal roch". Lendvai habe Bacher aber davon abbringen können.

Gleichzeitig habe sich der ORF-Redakteur aber besorgt darüber gezeigt, dass im Fall eines "Skandals" durch ein eventuelles Eingreifen ungarischer Sicherheitskräfte gegen die Tagung der ORF Material aus dem westdeutschen oder französischen Fernsehen übernehme müsse und er deswegen "persönliche Unannehmlichkeiten" haben könnte. Zudem wolle die österreichische Regierung im Sinne der guten Beziehungen mit Ungarn "jegliche Störung von links oder rechts vermeiden", habe Lendvai betont. Deshalb wolle man keine "negative Sensation" in Budapest. Die ungarischen Behörden strichen einige Tage später die Raumreservierung für die Veranstaltung, die am Rande eines mehrwöchigen Kulturforums der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) stattfinden sollte.

Lendvai findet Vorwürfe "absurd und unglaublich"

Lendvai sagte am Freitag, er finde es "absurd und unglaublich", dass er 30 Jahre lang bekämpft wurde, nur damit ihm jetzt vorgeworfen wird, "in Symbiose mit dem Regime" gelebt zu haben. Zu seinen damaligen Kontakten mit ungarischen Diplomaten meinte er, "die haben das (in ihren Berichten) nach ihrem Geschmack zusammengefasst".

Man habe damals aber auch "relativ zurückhaltend gehandelt, wir wollten die kleine Öffnung (in Ungarn) ausnützen". Zu diesem Zweck "muss man immer paktieren, Kompromisse schließen". Die Schriftstellertagung von 1985 sei aber "kein Geheimnis" gewesen, "das war in den Zeitungen".

"Nie gegen journalistische Ethik verstoßen"

In einer an die ungarische Nachrichtenagentur MTI übermittelten Aussendung betonte Lendvai allerdings, dass er nie etwas gemacht habe, "was gegen die journalistische Ethik verstoßen hätte". Er verwies dabei auf die Berichte des damaligen ungarischen Geheimdienstes, die ihn als "feindliche Person" beschrieben hätten, die einer "antikommunistischen und sowjetfeindlichen Tätigkeit" nachgehe.

In der Aussendung äußerte Lendvai auch offen die Vermutung, dass der Grund für die "skrupellose Hetze" gegen ihn sein jüngst erschienenes Buch "Mein verspieltes Land" sei. In dessen letztem Kapitel hatte er sich kritisch mit der neuen rechtskonservativen Regierung unter Viktor Orban auseinandergesetzt.

(APA)

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