Länder führen, Bund zahlt

Österreichs Realverfassung: Die Macht geht von den Landeshauptleuten aus.

Eben haben sie Josef Pröll wegen des Sparpakets mit einer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof gedroht. Davor haben sie ihm kühl lächelnd einen Anteil an zusätzlichen Steuereinnahmen abgenommen. Dazwischen haben sie humorvoll ausrichten lassen, dass die Verwaltungsreform beim Bund beginne. Die Landeshauptleute führen Österreichs sogenannte Bundesregierung. Das bewies der Vizekanzler am Freitag: „Wir treten als ÖVP-Mannschaft auf", hatte er schnell gesagt, bevor er jene Linie wiedergab, die Niederösterreichs Erwin Pröll und dessen Kollegen bei den Bildungskompetenzen vorgegeben hatten: Die Länder wollen die Lehrer führen, der Bund darf zahlen.

Experten finden diese Idee ebenso falsch wie die Bildungsministerin. Mit der Kompetenzverschiebung wäre jede weitere Reform von neun Landespolitikern mit Einzelinteressen abhängig. Die Befürchtung, dass bei der Personalauswahl nicht nur die Qualifikation, sondern auch die Zugehörigkeit zum Landesvater eine Rolle spielt, ist durch einschlägiges Verhalten begründet. In Vorarlberg vielleicht weniger als in Niederösterreich.

Kanzler Faymann hat sich nun hinter seine Ministerin gestellt. Wichtiger ist es der SPÖ, an Prölls Image zu kratzen: Der hätte die Gelegenheit nutzen können, über den Finanzausgleich zu reden, ätzte SPÖ-Geschäftsführerin Laura Rudas. Stimmt, und der Kanzler könnte ebenfalls endlich seinen Job machen. Und beim nächsten Treffen mit den Landeshauptleuten ausnahmsweise den Mund aufmachen.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2010)

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