Lehrer: Josef Pröll voll auf Länderlinie

Lehrer Josef Proell voll
Lehrer Josef Proell voll(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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ÖVP kontra SPÖ. Vizekanzler Pröll stellt sich gegen die Regierungsposition: Der Bund solle nur noch Bildungsziele vorgeben und für die Lehrer zahlen, sie aber nicht mehr anstellen.

Wien. Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) riskiert nun endgültig den Koalitionsfrieden mit der SPÖ. Er wolle, dass künftig alle Lehrer, nicht mehr nur die Pflichtschullehrer von den Ländern angestellt werden. Bezahlen solle diese aber weiterhin der Bund nach einer „Schüler-Kopfquote“, die erst definiert werden müsse, sagte der ÖVP-Obmann und Finanzminister am Freitag. Mit dieser Position stellte sich Pröll offiziell hinter die Forderungen der schwarzen Bundesländer. Pröll hatte davor bereits in einem „Presse“-Interview betont, er sei „absolut dafür“, dass Lehrer, Direktoren und Standorte regional gesteuert werden.

Jetzt also die offene Kampfansage an SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Bundeskanzler Werner Faymann: Der Bund solle künftig „nur“ noch die Lehrinhalte, die Lehrpläne und die Bildungsziele für die Schulen sowie das Lehrerdienstrecht vorgeben. Außerdem sollte er über die Schultypen und -arten – von der Gesamt- bis zur Ganztagsschule – entscheiden.

Die Anstellung der Lehrer und die Bestellung der Direktoren solle künftig aber Ländersache sein, unterstützt Pröll nun die Landeshauptleutekonferenz, die das bereits Ende 2009 und erneut Mitte 2010 verlangt hat. Das heißt: Auch die jetzigen Bundeslehrer an AHS, berufsbildenden mittleren und höheren Schulen wären dann Angelegenheit der Länder; der Bund hätte keinen Einfluss mehr darauf, welcher Lehrer an welchem Standort in welchem Ausmaß und für welches Fach eingesetzt wird. Er müsste aber weiter Geld geben.

Ein Modell, das für Ministerin Schmied nicht infrage kommt. Denn damit ginge jeder Einfluss des Bundes auf die Bildungsreformen in diesem Land verloren (siehe unten).

Neue „Verhandlungsgrundlage“

Doch Pröll scheut den Konflikt mit der SPÖ nicht, im Gegenteil: Er fordert ihn noch heraus. Die Position, die er am Freitag mit „seinen“ Landeschefs aus Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg präsentierte, sei nun die „Verhandlungsgrundlage“ mit dem Koalitionspartner, machte er deutlich.

Damit führt er jene – ursprünglich – einheitliche Bundesposition ad absurdum, die seit dem 15. April dieses Jahres besteht. „Alle Lehrer sind Bundesbedienstete“, steht in dem Beschluss dieser Position, der im Verfassungsausschuss des Parlaments bestätigt wurde. Dabei anwesend waren auch die Bildungsministerinnen Schmied und Beatrix Karl (ÖVP). Doch jetzt ist das Papier Makulatur, und die SPÖ schäumt.

Freilich gehe es nicht um „Gewinner oder Verlierer“ in der Bildungspolitik, gab sich Josef Pröll verbindlich. Sondern die ÖVP wolle die Debatte neu anstoßen – und dabei den Takt vorgeben, so der Tenor der Landeshauptleute und des Parteichefs; Pröll sagte: „Wir treten als ÖVP-Mannschaft auf.“

Eine Reform des Bildungswesens tue dringend not. Einen Effizienzgewinn erhofft sich die ÖVP nicht nur dadurch, dass die Länder „unmittelbarer“ bestimmen können, welche Lehrer und Direktoren sie wie einsetzen. Sondern auch durch das Modell von je einer „Bildungsdirektion“ pro Bundesland, in denen die Landesschulräte, Schulabteilungen des Landes sowie Bezirksschulräte aufgehen sollen. Dadurch könnte man 40 bis 50 Mio. Euro einsparen, schätzt Niederösterreichs Erwin Pröll; Beamtenstellen könnten eingespart werden, sagte der aktuelle Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz.

In diesem Gremium werden sich die Schwarzen mit den SPÖ-Ländervertretern von Salzburg bis zum Burgenland matchen müssen: Diese sind noch nicht für die „Verländerung“ des Schulwesens, auch wenn sie durch die Kompetenzverschiebung an Macht gewännen.

SPÖ-Länder zögern

Zu groß sind bisher die Loyalität zum Bund und die Sorge, jedes Land könnte in der Schulpolitik am Ende sein eigenes Süppchen kochen. „Nicht möglich“, sagen die ÖVP-Länder – wenn der Bund die Hoheit über die Schultypen behält.

Wer nun gefordert ist? „Der Ball liegt jetzt am Ballhausplatz“, sagte Erwin Pröll in Richtung Faymann.

Auf einen Blick

Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) unterstützt nun die Landeschefs seiner Partei: Der Bund solle nur noch Bildungsziele und Schultypen vorgeben, die Länder aber sollten alle Lehrer – auch die an höheren Schulen – anstellen, Direktoren bestellen und die Schulverwaltung übernehmen. Damit stellt sich Pröll gegen SPÖ-Ministerin Schmied und Kanzler Faymann, der nun am Zug ist. Die SPÖ-Länder zögern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2010)

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