Szenen einer ORF-Krise: Pius Strobl verlässt den Sender

vorbei Pius Strobl verlaesst
vorbei Pius Strobl verlaesst(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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ORF-Sprecher Pius Strobl zieht die Konsequenzen aus der "Abhöraffäre": Er nimmt den Hut. Seine Gegner sorgen dafür, dass Anschuldigungen ans Licht kommen. Wrabetz hat seinen engsten Vertrauten im ORF verloren.

Freitagfrüh um 0.11Uhr landete die Nachricht auf dem Handy: „Es ist vorbei...“, schrieb Pius Strobl, bis dahin Kommunikationschef des ORF, in einem besonders emotionalen Moment seiner ORF-Ära. Natürlich hob er ab, um auf Nachfrage – es war schon weit nach Mitternacht – eine Bitte vorzutragen: Er plane eine Pressekonferenz, Freitag 12Uhr, man möge doch kommen. Dort tat er, was am Vorabend noch nicht einmal sein Freund und Chef, ORF-General Alexander Wrabetz, erwartet hatte: Strobl trat zurück.

Damit hat Wrabetz seinen engsten Vertrauten im ORF verloren – obwohl er noch wenige Stunden zuvor – nach einer stundenlangen Geschäftsführersitzung – versucht hatte, die Diskussion mit den Worten „es hat definitiv keine Abhöraktion gegeben“ zu beenden. Nachdem Strobl bei der jüngsten Stiftungsrats-Sitzung versucht hatte, Gespräche zwischen Direktoren und Journalisten aufzuzeichnen, hatten die Direktoren ihm das Vertrauen entzogen.

Strobl spricht von einem „unglücklichen Vorfall“; er habe „PK-ähnliche Situationen“ mitschneiden wollen, um zu wissen, was die Direktoren den Journalisten sagen– vor allem Elmar Oberhauser, der in der besagten Sitzung abgewählt wurde. Die Direktoren liefen Sturm. Er habe „den Elfmeter selber aufgelegt“, meinte Strobl bitter. Die Gegner haben die Chance genützt – und getroffen.

Protektion und gute Geschäfte?

Strobl könnte mit dem Rücktritt härterer Kritik aus den eigenen ORF-Reihen zuvorgekommen sein. Die Punkte im Detail:
•Erster Vorwurf: Strobl habe einen VW Touareg, der dem Unternehmen zur Verfügung gestellt wurde, selbst gefahren. „Wir haben eine Marketing-Kooperation mit VW“, erklärt das Strobl. Die Firma habe dem ORF-Marketing u. a. ein Auto zur Verfügung gestellt. Er habe es „nachweislich nur für dienstliche Zwecke genutzt“.

Dass es dazu keinen Vertrag mit VW gibt, erklärt Strobl so: Den hätte die in Gründung befindliche ORF-Marketing-Tochter ausmachen sollen – sei aber noch nicht geschehen. Der Chefposten dieser Marketing-Tochter ist ausgeschrieben. Strobl wollte sich bewerben – die Entscheidung fällt im Dezember-Stiftungsrat. Strobl ist mit dem Rücktritt aus dem Rennen


•Zweiter Vorwurf: Strobl habe in der Redaktion Druck gemacht für eine positive Berichterstattung über den VW-Konzern. Der Autobauer hatte sich über einen kritischen Bericht beschwert – Strobl reichte das Mail an Radio-Chefredakteur Stefan Ströbitzer weiter, bat „im Bedarfsfall“ um Richtigstellung. Später erinnerte er die Mitarbeiter via SMS daran, dass der VW-Konzern „ein wichtiger Kunde“ des ORF sei, mit dem man Kooperationen laufen habe.


•Dritter Vorwurf: Strobl wolle sich indirekt an einer Übersiedlung des ORF nach St.Marx bereichern. Er habe dort Anteile an einer Tiefgarage. „Bedauerlicherweise habe ich weder an einer Tiefgarage noch an einem Bürohaus noch an Filmstudios oder Ähnlichem in St. Marx Anteile“, meint Strobl dazu. „Ich habe nicht so viel Geld.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2010)

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